Am Atominstitut der Technischen Universität Wien wollen wir die präziseste Uhr der Welt bauen, eine Atomkernuhr. Ihr Herzstück: Thorium, genauer das Isotop Thorium-229.
Atomuhren messen die Zeit so präzise, dass sie in 20 Milliarden Jahren nur um eine Sekunde falsch gehen. Was sehr genau klingt, ist trotzdem nicht immer genau genug. Navigationssatelliten mit Atomuhren an Bord helfen, den eigenen Standort auf der Erde in einem Radius von ungefähr zehn Metern zu ermitteln. Aber würden Sie in ein autonom fahrendes Auto steigen, dass einfach so zehn Meter in eine Kreuzung hineinfährt?
Mit Atomkernuhren können wir die Zeitmessung verbessern. Statt wie bei den Atomuhren Schwingungen von Elektronen, beobachten wir Veränderungen im Atomkern. Diese werden von äußeren Faktoren wie Magnetfeldern oder Temperaturschwankungen kaum beeinflusst.
Bei Thorium-229 ist vergleichsweise wenig Energie nötig, um diese Änderungen auszulösen. Zudem ist ihre Frequenz mit 2 Billiarden Schwingungen pro Sekunde sehr hoch. Das ermöglicht genaue Messungen und macht Thorium zum idealen Taktgeber für eine Atomkernuhr.
Üblicherweise versuchen Experimentalphysiker, möglichst großvolumige Kristalle zu züchten. Wir wollen das Gegenteil: kleine Kristalle, bei denen das Laserlicht ausschließlich die Thorium-Kerne anregt.
Im Herbst 2024 haben wir gemeinsam mit US-Kollegen den ersten Prototypen einer Atomkernuhr vorgestellt mit unserem Kristall als Herzstück. Wir haben bewiesen: Thorium ist das richtige Material für ultrahochpräzise Messungen. Jetzt folgt vor allem technische Entwicklungsarbeit. Zum Beispiel die Kristalle weiter zu schrumpfen – so weit, dass am Ende vielleicht sogar ein einzelnes Thorium-Ion für Messungen ausreicht.