Um den steigenden Erdgasbedarf zu decken, werden zunehmend Felder mit hohem CO₂-Gehalt erschlossen. Ein perfektes Einsatzgebiet für die neuen Hightech-Membranen aus Österreich.
Für einen an sich sauberen Energieträger ist das eine ganz schön dreckige Mischung, die da aus dem Erdreich strömt: Das heiße, rohe Erdgas, das am Südzipfel des amerikanischen Kontinents gefördert wird, enthält nicht nur Methan – Brennstoff für Herde, Heizungen, Kraftwerke und Motoren. Sondern auch jede Menge CO₂, und das besitzt die unschöne Eigenschaft, mit Wasser zu aggressiver Kohlensäure zu reagieren. Herde, Heizungen, Kraftwerke und Motoren würden an rohem Erdgas ziemlich schnell zugrunde gehen. Ebenso wie die Leitungen, durch die es vom Produzenten zum Abnehmer fließt.
Solch „saures“ Erdgas ist in der Energiebranche nichts Neues. Jede Förderanlage besitzt deshalb Separationssysteme, die den Rohstoff aufbereiten und neben Kohlendioxid auch andere unerwünschte Elemente wie Wasser oder schwere Kohlenwasserstoffe trennen. Die Menge an saurem Erdgas nimmt jedoch seit einiger Zeit zu. „Die Nachfrage nach Erdgas ist so hoch, dass immer mehr Vorkommen mit sehr hohen CO₂-Anteilen erschlossen werden“, sagt Dr. Patrick Schiffmann vom Anlagenbauer Linde Engineering. „Wir beobachten steigende CO₂-Anteile, weil man seit einigen Jahren Kohlendioxid, das aus gefördertem Erdgas abgetrennt wurde, wieder ins Erdreich verpresst hat.“ Gasförderung und -reinigung werden somit immer anspruchsvoller.
Seit gut einem Jahr betreibt der Anlagenbauer auf einem Gasfeld in Südargentinien eine neue Separationstechnik, die das „Gas Sweetening“, wie die Aufbereitung in der internationalen Fachsprache genannt wird, grundlegend verändern könnte. Grundlage ist ein Produkt von Evonik, das sich auf anderen Gasmärkten bereits bewährt hat: SEPURAN® – eine Kunststoffmembran, die anders funktioniert als alle Konkurrenzprodukte. Und die dadurch eine Schlüsselrolle spielen kann bei der Deckung des wachsenden Erdgasbedarfs.
POLYIMID STATT CELLULOSEACETAT
Bis zu 50 Prozent beträgt der CO₂-Anteil des Erdgases in der Region, wo Linde mit der Evonik-Membran die Prozesse seines Kunden optimiert – der Grenzwert für die Einspeisung in Pipelines beträgt zwei Prozent. Bisher kam der Betreiber gerade einmal auf zehn Prozent, berichtet Prozessingenieur Schiffmann. Herzstück und Sorgenkind der Anlage sind die herkömmlichen Membranen aus Celluloseacetat, also Kunststofffasern auf Holzbasis. „Eigentlich ein wunderbares Material“, sagt Dr. Götz Baumgarten, bei Evonik verantwortlich für das Marktsegment Membranen. „Es hat nur zwei Probleme: Erstens halten die Membranen nicht lange, und jeder Austausch bedeutet Produktionsausfälle. Zweitens ist die Membran nicht besonders selektiv.“
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Die Selektivität ist ein wichtiger Faktor dafür, wie wirtschaftlich eine Membran arbeitet: Idealerweise lässt sie nur eine Art von Molekülen durch und hält andere zurück. Beim rohen Erdgas etwa würde sich auf der einen Seite reines Methan sammeln und auf der anderen Seite das (unerwünschte) CO₂. So einfach ist es in der Realität leider nicht. Die Membran erkennt nicht, welches Molekül gerade passieren will – darum diffundiert immer auch ein Teil des wertvollen Methans.
Die Trennwirkung entsteht dadurch, dass verschiedene Moleküle unterschiedlich schnell durch die Membran wandern. Je größer die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen zwei Molekülen, desto sauberer kann man das Gas auftrennen. „Mit den klassischen Produkten gingen unserem Kunden zehn Prozent des Methans verloren“, sagt Linde-Experte Schiffmann. „Mit der Evonik-Technologie reduzieren wir den Verlust auf zwei Prozent. Bei einem Output von 25 Tonnen Erdgas pro Stunde ist das viel Geld, das nicht mehr verpufft, und eine Menge Treibhausgas, das nicht mehr entweicht. Die begrenzten Erdgasvorkommen lassen sich viel sinnvoller nutzen.“
Anders als klassische Membranen besteht SEPURAN® aus Polyimid, einem Hochleistungskunststoff, den Evonik selbst entwickelt hat, produziert und zu Fasern verarbeitet. Die letzten beiden Schritte geschehen in Schörfling in Österreich. In der hohen Fertigungstiefe sieht Baumgarten einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz: „Wir haben den ganzen Prozess selber in der Hand, vom Molekül- und Polymerdesign bis zu der Art, wie wir die Fasern wickeln und in ein Membranmodul bringen.“
Unter dem Elektronenmikroskop sieht man den komplexen Aufbau der Membran: Jede Faser ist hohl wie ein Strohhalm, innen ist das Material porös wie ein Schwamm. „Diese Struktur macht die Faser stabil“, erklärt Baumgarten. „Die Oberfläche dagegen bildet ein glatter Film, er sorgt für die Separationswirkung.“ In den Membrankartuschen sind die Fasern auf einem Stahlrohr aufgewickelt, das Konstrukt wirkt wie eine überdimensionierte Garnrolle. Das rohe Erdgas strömt an den Fasern entlang, Kohlendioxidmoleküle diffundieren durch die Membranoberfläche ins Innere der Hohlfasern, das Gas wird auf seinem Weg durch die Kartusche immer ärmer an CO₂.
VERWENDUNG IN BIOGASANLAGEN
Seit acht Jahren ist SEPURAN® auf dem Markt. Das Material hat sich seither etabliert – zum Beispiel in Biogasanlagen, wo es hilft, Methan aufzureinigen. Zudem wird es genutzt, um Stickstoff aus der Umgebungsluft zu gewinnen und wertvolle Gase wie Helium oder Wasserstoff zu konzentrieren. Was all diese Anwendungen gemeinsam haben: Bei ihnen wird das Ausgangsgas – der sogenannte Feed – ins Innere der Hohlfasern geleitet. Das durch die Membran diffundierende Gas, Permeat genannt, wird getrennt vom anderen Teil, dem Retentat, abgeführt. Separiert wird also von innen nach außen.
Für die neue Anwendung hat Evonik die Separationsrichtung umgedreht und die Konstruktion verändert: „Die Membran wird bei der Aufreinigung von Erdgas stärker belastet, wir haben höheren Druck und höhere Temperaturen“, erklärt Baumgarten. „So sind wir auf die Bauweise mit gewickelten Fasern gekommen: Sie liefert uns die nötige Robustheit.“
Tatsächlich ist die Membran so hart im Nehmen, dass Linde selbst nach mehreren Monaten Dauereinsatz keinen Leistungseinbruch feststellen konnte. „Bei Celluloseacetat-Membranen macht sich der bereits nach einem Monat bemerkbar, nach drei Monaten muss man einen Teil der Kartuschen austauschen“, sagt Schiffmann. „Bei SEPURAN® hatten wir selbst nach einem halben Jahr noch die gleiche Trennleistung wie am Anfang.“ Was für Anlagenbetreiber bedeutet, dass sie seltener die Anlage ganz oder teilweise herunterfahren müssen, um Membranen zu wechseln. Ein weiterer Vorteil: Bilden sich in der Anlage zeitweise flüssige Kohlenwasserstoffe, regenerieren sich SEPURAN®,-Membranen. „Eine Celluloseacetat-Membran ist danach erledigt“, so Schiffmann.
EIN SEPARATIONSDURCHGANG WENIGER
Die Trennwirkung im Test war so gut, dass sie sich auf die gesamte Konstruktion der Erdgasaufbereitungsanlage auswirkte: „Oft benötigt man zwei Separationsstufen“, sagt Schiffmann. „Das Permeat enthält nach der ersten Stufe noch so viel Methan, dass wir es mit einem Kompressor verdichten und durch eine zweite Membranstufe schicken. So wird der größte Teil des Methans zurückgehalten“, sagt Schiffmann. Das erfordere einen immensen Energie- und Kapitaleinsatz. „Bei den Hohlfasermembranen ist das Retentat schon nach der ersten Stufe so rein, dass wir diese Maschinen teilweise abschalten oder mit der halben Leistung betreiben können. All das spart Geld und erhöht die Verfügbarkeit.“
Die Betriebsdaten aus der Anlage und dem eigenen Labor nutzt Schiffmanns Team nicht nur selbst für die Planung neuer und die Umrüstung bestehender Anlagen. „Wir spielen unsere Daten, Informationen und Erkenntnisse auch an Evonik zurück, damit die Konstruktion weiterentwickelt werden kann.“ Eine Win-win-Situation für beide Partner.
Das Marktpotenzial ist Götz Baumgarten zufolge selbst unter pessimistischen Annahmen enorm. Je höher der CO₂-Anteil in den Erdgasvorkommen, desto stärker verdrängen Membranen weitverbreitete chemische Reinigungsprozesse wie die sogenannte Aminwäsche. „Auf dem Markt für Erdgas-Sweetening kommen Membranen erst auf einen Marktanteil von 8 Prozent, und davon wiederum bestehen bisher 80 Prozent aus Celluloseacetat.“ Ein Markt im Volumen von mehreren 100 Millionen ₤ wartet auf die Branche, schätzt Baumgarten – und davon will sich Evonik einen großen Teil sichern.