Mehr als die Hälfte aller Autoreifen werden weltweit deponiert oder verbrannt. Dabei ließe sich das alte Gummi viel besser im Straßenbau verwerten. Dank spezieller Zusätze wird der Asphalt damit umweltfreundlicher und haltbarer. Ein Life Cycle Assessment belegt die Vorteile mit Daten.
Er ermöglicht einen sicheren Weg zur Arbeit, den schnellen Transport von Waren: Asphalt. Bevor er zum Einsatz kommt, wird er jedoch erst einmal gequält. In einer Kältekammer der Prüfgesellschaft PTM in Dortmund simulieren Ingenieure im Auftrag von Evonik den Winterbetrieb auf einer Straße. Ein quadratmetergroßes Probestück Asphalt wird dort tagelang weit in den Frostbereich heruntergekühlt – doch es hält der Dauerbelastung stand, Risse sind nicht erkennbar. Frank Lindner ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Unser Additiv Vestenamer macht diese Mischung auch unter harten Bedingungen industriell nutzbar“, so der Straßenbauexperte von Evonik.
25 MILLIONEN
Tonnen Altreifen werden weltweit jährlich entsorgt.
Der Asphalt im Labor ist etwas Besonderes: Er wurde mit Gummimehl aus Reifen hergestellt, die das Ende ihrer Lebenszeit erreicht hatten – und dem von Evonik hergestellten Additiv Vestenamer. „Die Zusätze gewährleisten einen steifen, aber dennoch flexiblen Asphaltbelag und einen optimalen Verdichtungsgrad“, erklärt Lindner. Was der Fachmann seit Einführung des Produkts vor einigen Jahren an vielen Straßen decken in der Praxis beobachten konnte, ist dank der Laborergebnisse nun auch mit Daten belegbar. Diese fließen ein in eine umfassende Ökobilanz des Additivs, von den Experten Life Cycle Assessment, kurz LCA, genannt. Es geht darum, die Auswirkungen eines Produkts auf die Umwelt in einer bestimmten Anwendung über seine gesamte Lebensdauer hinweg zu bewerten – von seiner Herstellung über den Einsatz bis zur Entsorgung.
„Die Gesellschaft im Allgemeinen und Kunden im Speziellen erwarten immer mehr Transparenz“, sagt Bernd Schlüter, Experte im Life-Cycle-Management-Team bei Evonik. „Life Cycle Assessments helfen dabei, Produkte besser vergleichbar zu machen.“ Um aussagekräftige Daten zu bekommen, strapazieren die Techniker den mit Vestenamer versetzten Asphalt unter extremen Bedingungen. Gegenüber der Kühlkammer simuliert im PTM-Labor eine andere Anlage Hochsommer. Unter dem verglasten Deckel ist es 60 Grad Celsius heiß. Unermüdlich fährt eine Walze mit hohem Druck auf einem Stück Asphalt hin und her. Bei hohen Temperaturen verursacht die Dauerbelastung durch Lastwagen die gefürchteten Spurrillen – eine Gefahr für Autofahrer, wenn sich etwa bei Regen das Wasser darin sammelt. Auch hier zeigen die Daten: Bei der Asphaltmischung mit Gummimehl und Vestenamer hält sich der Verschleiß in engen Grenzen.
50 PROZENT
des Straßenbelags lassen sich dank Vestenamer wiederverwenden.
DATEN ALS ARGUMENTATIONSHILFE
Der Aufwand für die Tests ist gewaltig. Und das für ein Produkt, das in der fertigen Straße gerade einmal 0,5 Promille der Fahrbahndecke ausmacht? „Die Menge spielt eine untergeordnete Rolle“, sagt Straßenbaufachmann Lindner und ergänzt: „Entscheidend ist, was das Produkt bewirkt.“ Zahlen, Daten und Fakten helfen, die Vorteile des Produkts zu verdeutlichen.
Es bedarf einer Menge Überzeugungsarbeit. Der Einsatz von Gummimehl im Straßenbau ist aus vielen Gründen sinnvoll, doch in der Vergangenheit kam es dennoch nicht recht zum Zug. In Form von ausgedienten Reifen ist Gummi in großen Mengen günstig verfügbar. Als Mehl dem Asphalt beigemischt, verleiht es der Masse die gewünschte Klebrigkeit – allerdings klebt das Material auch an den Maschinen und Lkw der Baufirmen. Bei normalen Verarbeitungstemperaturen ist die Mischung sehr schwer zu verarbeiten. Höhere Temperaturen erfordern mehr Energieeinsatz und führen dazu, dass das Gummimehl beginnt, sich zu zersetzen. „Wenn Straßenbauer früher ,Gummimehl‘ gehört haben, dann war für sie die Sache schon erledigt“, sagt Evonik-Experte Lindner.
Vestenamer räumt mit diesen Nachteilen auf, und zwar nachweislich. Hohe Temperaturen sind für die Verarbeitung nicht nötig – und auch mit niedrigen Temperaturen kommt der Vestenamer-Gummimehl-Mix gut zurecht. Andere Mischungen können unter Umständen zu schnell auskühlen und sind damit nicht mehr optimal zu verdichten. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass ein gerade fertiggestellter Straßenbelag komplett erneuert werden muss.
#EvonikEntdecken: Gib Gummi - Straßenbau auf der Überholspur
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IDEAL FÜR INDUSTRIEANWENDUNGEN
Das EvonikProdukt ist ein teilkristalliner Kautschuk, ein sogenanntes transPolyoctenamer. Seine Eigenschaften liegen zwischen denen von flüssigen und festen Gummipolymeren. Bevor es vulkanisiert wird, hat es die Eigenschaften eines Thermoplasts. Es ist also hart, bei Wärme formbar und leicht zu verarbeiten – kurz: ideal für eine industrielle Anwendung. Vestenamer wird dem Gummimehl in kleinen Mengen beigemischt. Beim Erwärmen schmilzt es und legt sich wie eine Hautum die Gummipartikel. Das reduziert massiv die Neigung der Asphalt-Gummimehl-Mischung, sich an Metall zu heften. Das Material rutscht sauber aus der Thermomulde des Lkw und verklebt auch nicht die Mischanlage des Straßenfertigers, der den Asphalt zur Fahrbahndecke verarbeitet.
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0,7 TONNEN
Kohlendioxid spart jede Tonne recycelter Reifen im Vergleich zur Verbrennung ein.
„Durch unseren Zusatz werden aus Reifen, die für den Straßenverkehr nicht mehr zulässig sind, Hochleistungsrohstoffe für den Straßenbau“, sagt Lindner. Die Zahlen aus Dortmund belegen: „Wenn wir die Reifen als Rohstoffe dort einsetzen, verlängern wir die Lebensdauer ihrer Rohstoffe um das Achtfache.“ Dieser Effekt macht sich positiv in der Ökobilanz bemerkbar und ist zugleich Lösung für ein Entsorgungsproblem. Denn oft endet das Leben alter Reifen bisher in Zementwerken, wo sie als Brennmaterial „thermisch verwertet“ werden. In einigen Ländern der Welt gibt es sogar noch Reifendeponien – eine im wahren Wortsinn brandgefährliche Rohstoffverschwendung.
PRAXISTEST IN PADERBORN
In die Gesamtbilanz fließen zahlreiche Faktoren ein, erklärt Life-Cycle-Experte Schlüter: „Wir beziehen auch Daten über die mögliche Ersparnis von Ressourcen ein, etwa durch die längere Nutzungsdauer des Materials.“ Auf der Detmolder Straße im ostwestfälischen Paderborn zeigt Frank Lindner, was dies in der Praxis bedeutet. Die Straße mit vielen Geschäften und Restaurants links und rechts, mehreren Buslinien und einer Menge Verkehr wurde 2012 mit Asphalt gebaut, dem Gummimehl und Vestenamer als Bindemittel beigemischt waren. Das Besondere an dieser Straße: 50 Prozent des neuen Straßenbelags stammen aus der Wiederverwendung des alten.
90.000 TONNEN
Kohlendioxid wurden weltweit beim Bau von Straßen dank Vestenamer eingespart.
Seitdem kommt Lindner regelmäßig in Paderborn vorbei und schaut sich die Fahrbahndecke an: „Die ist wie neu“, sagt er zufrieden. Straßenbauunternehmen versuchen, die Wiederverwendungsquote zu steigern. Aktuell können bis zu 15 Prozent des Altmaterials wie der in die neue Deckschicht der Straße eingebaut werden. Mit der von Evonik entwickelten Methode lässt sich dieser Wert auf 50 Prozent steigern. Taugt das Material nach mehreren Durchgängen nicht mehr für den Einsatz in der Fahrbahnoberfläche, kann es noch zu großen Teilen in der darunterliegenden Tragschicht verwendet werden.
Dies wäre für die Unternehmen ebenso gut wie für die Kommunen, die die Straßen in Auftrag geben. Mit herkömmlichen Verfahren wären bei der Sanierung der Detmolder Straße 705 Tonnen frisches Gestein und 45 Tonnen Bitumen notwendig gewesen. Tatsächlich wurden nur 352 Tonnen Gestein und 23 Tonnen frischer Bitumen erforderlich – gerade einmal die Hälfte. Möglich machten das sieben Tonnen Gummimehl und gerade einmal 400 Kilogramm Vestenamer. Das reduziert den logistischen Aufwand gewaltig: Bei 20 Tonnen Zuladung und angenommenen 100 Kilometer Entfernung des Steinbruchs zur Mischanlage wurden in Detmold in Summe 750 Liter Diesel und damit rund 2 Tonnen Kohlendioxid bei der Anlieferung der Gesteine eingespart. Vom sinkenden Lärmpegel und weniger verstopften Straßen ganz zu schweigen. In Detmold ging es nur um einen Kilometer Straße, aber Deutschland allein besitzt ein sekundäres Straßennetz von mehr als 170.000 Kilometer Länge.
Noch wesentlicher für die CO₂Ersparnis: Jede Tonne Reifen, die nicht verbrannt, sondern wieder in den Stoffkreislauf zurückgebracht wird, entlastet die Umwelt um 0,7 Tonnen Kohlendioxid. Macht beim Paderborner Beispiel 4,9 Tonnen. Und die dortige Detmolder Straße ist nur eines von zig weltweit realisierten Projekten, die mit Vestenamer effizienter und nachhaltiger umgesetzt wurden. Addiert man die Länge der erneuerten Fahrbahnen, reicht die Strecke vom Werkstor in Marl, wo Vestenamer produziert wird, bis zur Elfenbeinküste. So wurden bereits 90.000 Tonnen CO₂ eingespart. Zum Vergleich: Ein Wald mit 90.000 Buchen müsste 80 Jahre wachsen, um diese Menge Kohlendioxid zu speichern. Die Ersparnis könnte sogar um ein Vielfaches größer sein. Noch wird mehr als die Hälfte aller Reifen weltweit entweder deponiert oder verbrannt – Jahr für Jahr rund 13 Millionen Tonnen.
Aus Alt mach Neu
Ein Reifen erreicht laut Definition das Ende der Lebenszeit, wenn seine Lauffläche abgenutzt ist. Er ist dann zwar für eine sichere Fortbewegung unbrauchbar, das Material, aus dem er besteht, ist aber noch völlig intakt. Die Idee, es weiterzuverwenden, wird schon lange praktiziert. Die einfachste Art ist die sogenannte thermische Verwertung. So werden Altreifen etwa in Zementwerken verbrannt, wofür jedoch oft sogar bezahlt werden muss. Aus Sicht eines Life Cycle Assessments stellen diese Fälle ein schlechtes Recycling dar: Ein eigentlich wertvoller Rohstoff wird für einen Zweck eingesetzt, für den es bessere Alternativen gäbe. Nachhaltiger ist die Methode, die Reifen zu schreddern und zu Gummimehl zu verarbeiten. Dies eignet sich etwa als Baumaterial oder für die Verarbeitung zu Gummimatten. Doch der Bedarf hierfür ist begrenzt und das Angebot riesig. Allein in Deutschland fallen Jahr für Jahr rund 600.000 Tonnen an.
BELEGBARER NUTZEN
Insgesamt könnten durch den Einsatz von Vestenamer bei Straßenbelägen über den gesamten Lebenszyklus je nach Annahmen zwischen 10 und 60 Prozent der Kohlendioxidemissionen gegenüber konventionellen Straßenbelägen eingespart werden. Für Bernd Schlüter ist das ein starkes Argument, Vestenamer in größerem Umfang zu nutzen: „Wir haben hier ein Produkt, das gefahrlos eingesetzt werden kann, aus Abfallstoffen einen wertvollen Rohstoff macht, die Lebensdauer des Produkts verlängert, Naturmaterialien einspart und den Energieverbrauch senkt“, sagt der Life CycleExperte. „Und das Ganze belegt durch nachprüfbare Daten.“
VESTENAMER® - The world’s most versatile rubber additive (Englisch)
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