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Photovoltaik-Kraftwerk mit Windrädern (KI generiertes Bild)

»Die Erneuerbaren sind die günstigste Art der Energieversorgung«

Photovoltaik-Kraftwerk mit Windrädern (KI generiertes Bild)
Lesedauer 6 min
10. März 2022

Der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien ist ein Kraftakt für Wirtschaft und Gesellschaft. Der Ingenieurwissenschaftler Volker Quaschning erklärt, warum er trotzdem daran glaubt, dass der Umstieg auf Windkraft und Fotovoltaik gelingt.

Alternativbild
Von Christian Baulig

Journalist und Volkswirt

Alternativbild
Von Christoph Bauer

Redakteur und Textchef der ELEMENTS

Herr Quaschning, die USA sind unter Präsident Joe Biden wieder dem Pariser Klimaschutzabkommen beigetreten, China errichtet Jahr für Jahr Wind- und Sonnenkraftanlagen in Rekordtempo, und in Deutschland ist die neue Bundesregierung mit einer sehr ambitionierten Energiepolitik angetreten. Ist die Menschheit jetzt auf dem richtigen Weg?
VOLKER QUASCHNING: Es bewegt sich etwas, aber das Tempo stimmt leider immer noch nicht. Im Jahr 2100 werden wir so oder so 100 Prozent erneuerbare Energien haben. Die Frage ist nur: Haben wir bis dahin das Klima ruiniert, oder haben wir es vorher geschafft umzusteuern?

Halten Sie eine rechtzeitige Umstellung unserer Energieerzeugung noch für möglich?
Technisch ist das eine Herausforderung, aber es ist machbar.

Und können wir das auch bezahlen?
Die Erneuerbaren sind mittlerweile die günstigste Art der Energieversorgung. Weiter auf Kohlekraftwerke oder Benzin- und Dieselautos zu setzen, ist der viel teurere Weg.

Lassen sich die nötigen Veränderungen denn gesellschaftlich und politisch umsetzen?
Ich hoffe, die Mehrheit der Menschen stimmt zu, dass wir eine Technologie, die uns vor dramatischen Folgen rettet und bezahlbar ist, auch einsetzen.

Prof. Quaschning steht vor einer braun gestreiften Wand aus Holzpaneen.
Volker Quaschning wurde 1969 in Leonberg geboren und ist seit 2004 Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Gemeinsam mit seiner Frau Cornelia Quaschning ist er auf verschiedenen Social-Media-Plattformen aktiv, um über die Chancen der erneuerbaren Energien zu informieren. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen, darunter des erstmals 1998 erschienenen Fachbuchs „Regenerative Energiesysteme“, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde und kontinuierlich aktualisiert wird. Anfang 2022 erschien „Energierevolution jetzt!“, in dem das Ehepaar Quaschning anschaulich Fakten zur aktuellen Diskussion rund um die erneuerbaren Energien erläutert.

Und was ist mit der Minderheit, die sich dagegenstemmt?
Es ist viel die Rede davon, dass man „die Leute mitnehmen“ müsse. Manche sitzen aber zu Hause auf ihrem Sofa und wollen gar nicht mit. Wir leben in einer Demokratie, da sollte die Mehrheit entscheiden. Und eine sehr große Mehrheit wünscht sich den Klimaschutz. Wir können das nicht ausdiskutieren, bis der Letzte am Ende überzeugt ist. Das gilt auch für die Windkraft … 

… bei der sich einige Menschen gerade aus Gründen des Naturschutzes gegen neue Anlagen wenden. Zum Beispiel, weil die Rotoren angeblich den Bestand von Greifvögeln gefährden.
Wir haben eine Spaltung in der Gesellschaft. Viele haben begriffen, dass wir vor einem großen Problem stehen, und verfallen in Depressionen, weil die Gesellschaft immer noch so langsam handelt.

Zugleich gibt es eine Minderheit, die das Problem negiert, nach dem Motto: Wenn wir schon unbedingt Klimaschutz machen müssen, dann bitte ohne Windkraftanlagen in meiner Nähe. Erstaunlicherweise erleben wir hierzulande die größten Widerstände gegen Windkraftanlagen dort, wo kaum welche stehen.

Eine Demo gegen Windkraftanlagen im Wald.

Wie können wir dieses Dilemma lösen?
Man muss die Menschen vor Ort an den Erträgen beteiligen. In Deutschland wurden zu Beginn Windkraftanlagen im Wesentlichen von Idealisten und Bürgergenossenschaften gebaut. In manchen Gemeinden stehen Dutzende von Windrädern, und es gibt überhaupt keinen Widerstand. Die Leute sagen sich: Wenn sich die Rotoren drehen, ist das keine Verschandelung der Landschaft, sondern jede Umdrehung bringt uns einen Euro. Eine Beteiligung kann auch über Modelle erfolgen, bei denen Anrainer von Windkraftanlagen beispielsweise zehn Prozent Rabatt auf ihre Stromrechnung erhalten.

Oder man verlagert die Energieerzeugung auf hohe See, wo niemand wohnt und der Wind stetig bläst.
Tatsächlich haben wir dort weniger Diskussionen als an Land. Und in der Nordsee produzieren Windkraftanlagen fast doppelt so viel Strom wie an Land. Großbritannien könnte sich mit Offshore-Strom komplett selbst versorgen. Das ist jedoch international eine Ausnahme. Generell können wir jenseits der Küsten nicht das kompensieren, was wir an Land an nötigen Anlagen verhindern. Offshore-Windenergie muss zudem mit der Fotovoltaik an Land konkurrieren. Wenn sie doppelt so teuer ist wie Solarstrom, wird der Erfolg überschaubar bleiben.

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Einige Erfinder propagieren Windkraftanlagen, bei denen sich der Rotor nicht auf einer horizontalen Achse dreht, sondern auf einer vertikalen. Diese Mühlen sollen leiser sein als herkömmliche. Was halten Sie davon?
Die Technologie ist nicht neu und hat sich in all den Jahrzehnten nicht durchgesetzt. Der Wirkungsgrad ist schlechter und die mechanische Belastung größer. Heutige Vertikalachser sind zudem meist relativ klein. Gegen eine Fünf-Megawatt-Anlage dieser Bauart gäbe es an Land vermutlich auch Widerstand. 

Auch wegen angeblich mangelnder Nachhaltigkeit geraten Windkraftanlagen immer wieder unter Beschuss. Insbesondere die unzureichende Recyclingfähigkeit wird kritisiert. Zu Recht?
Die Betonfundamente, den Turm und den Generator kann man gut recyceln. Die Herausforderung sind die Rotorblätter, die häufig aus Verbundstoffen bestehen. Im Idealfall sollte man bei der Produktion dieser Bauteile künftig nicht mehr erdölbasierte Kunststoffe einsetzen – und wie bei fast allen Produkten müssen wir auch hier in die Kreislaufwirtschaft einsteigen. Für dieses Problem werden Ingenieurinnen und Ingenieure aber sicherlich Lösungen finden.  

Von welchen Ländern können wir uns etwas abschauen in puncto Energiewende?
Norwegen ist in der Elektromobilität führend, Frankreich lässt in Paris bald keine Verbrenner mehr in die Stadt, und Dänemark macht sehr viel bei der Windenergie. Aber kein Land ist perfekt. Im Klimaschutzranking von Germanwatch, bei dem Deutschland übrigens im Mittelfeld liegt, sind die ersten drei Plätze unbesetzt, weil kein Land auf dem Weg ist, ausreichende Maßnahmen umzusetzen. Aber es gibt auch Staaten ohne große Klimaschutzambitionen, die bei der Energiewende Erfolge vorzuweisen haben. 

Ein Berghang bedeckt mit Fotovoltaik-Modulen, Dazwischen ein Weg und eine Straße.

Zum Beispiel?
Nehmen Sie Texas. In den USA ist das der Bundesstaat, der am meisten für die Windenergie tut. Ein Ölstaat, der seit je von den Republikanern geführt wird! Dort hat man erkannt, dass Windenergie Big Business bedeutet. Klimaschutz ist da Nebensache.

Wie wichtig ist die Wirtschaft beim Umsteuern in der Energiefrage? Großverbraucher wie die Stahlbranche oder die chemische Industrie haben ja einen enormen Hebel, um Entscheidungen zu forcieren.
Das Mindset hat sich bei vielen Unternehmen in den vergangenen Jahren komplett verändert. Man versucht, ökologische Standards zu etablieren, und hat erkannt, dass man mit der neuen Welt gute Geschäfte machen kann. Ich habe mir die Augen gerieben, als der Bundesverband der Deutschen Industrie nach der Klimakonferenz in Glasgow kritisierte, die Ergebnisse seien unbefriedigend, und man hätte sich mehr gewünscht. Dass Unternehmen versuchen, den nötigen Wandel positiv zu gestalten, freut mich. Viele haben verstanden, dass ein Industriestandort wie Deutschland nur mit solchen neuen Technologien groß und stark bleiben kann.  

Besteht nicht die Gefahr, dass energieintensive Unternehmen abwandern in Länder, die weiter mit alten, abgeschriebenen Kohlekraftwerken arbeiten?
Definitiv nein. Kohle ist ja gar nicht billig, vor allem im Vergleich zur Fotovoltaik. In sonnigen Ländern kostet eine Kilowattstunde Solarstrom weniger als zwei Cent. Dafür kann ich am Weltmarkt derzeit nicht einmal die nötige Kohle kaufen. Wer abgeschriebene alte Kraftwerke betreibt, ist natürlich im Vorteil. Wenn es jedoch um Neuansiedlungen geht, sind selbst in Ländern wie Indien Solarkraftwerke günstiger. Was durchaus geschehen kann: dass energieintensive Branchen dorthin gehen, wo billig Solar- und Windenergie erzeugt werden kann.

Prof. Quaschning sitzt in einem Sessel.

Wird es in Deutschland in 30 Jahren noch die gleichen Stahlwerke geben wie heute?
Ich denke, nein.

Wir könnten doch günstigen Solarstrom aus begünstigten Regionen importieren, zum Beispiel in Form von Wasserstoff, der mithilfe von Solar- oder Windkraft klimaneutral produziert wird.
Die Frage ist doch: Was ist billiger? Sogenannten grünen Wasserstoff nach Europa zu bringen oder das Stahlwerk oder zumindest die energieintensiven Teile davon nach Marokko? Ich würde sagen: Letzteres. Sicher – dadurch gehen hierzulande in traditionellen Branchen Arbeitsplätze verloren. Auf der anderen Seite entstehen durch die Energiewende so viele Jobs, dass wir uns eher Gedanken machen sollten, wo wir all die Arbeitskräfte hernehmen. 

Evonik macht Spezialchemie. Die können Sie nicht leicht verlagern, denn dafür ist Know-how notwendig, das Sie nicht überall auf der Welt finden.
Genau, das ist ja auch eine Kostenfrage. Entfallen 70 Prozent der Produktkosten auf Energie, wird man über eine Verlagerung nachdenken. Bezieht sich jedoch der Großteil der Kosten aufs Know-how, wird die Produktion weiterhin in Deutschland stattfinden. Und dafür brauchen wir auch Wasserstoff, das ist vollkommen klar.

Im Solargeschäft ist das europäische Jobwunder Geschichte. Hiesige Unternehmen spielen kaum noch eine Rolle. Die Produktion findet vor allem in China statt. Droht uns dieses Schicksal auch bei der Windkraft?
China hat früh auf Technologien wie Solar- und Windenergie gesetzt und so dazu beigetragen, dass die Preise sehr stark gefallen sind. Ohne China wäre Fotovoltaik auf dem Weltmarkt wahrscheinlich um den Faktor drei teurer. Bei Windkraftanlagen ist der Effekt nicht so groß, denn die Anlagen lassen sich weniger leicht transportieren. Ein Rotorblatt passt nicht in einen Eurocontainer. Da Transportkosten tendenziell steigen, wird es sich zukünftig nicht rechnen, alles in China zu produzieren.

Blick auf das Pumpspeicherbecken.

Beim Ausbau für eigene Zwecke ist China mit Abstand die Nummer eins. Mehr als 50 Prozent aller Windkraftwerke wurden zuletzt in China gebaut.
Ja, der Ausbau beeindruckt. Allerdings ist der chinesische Energiehunger auch sehr groß. Der Ausbau reicht also nicht, um die Kohle zurückzudrängen. Eigentlich müssten die Chinesen ihre Ambitionen noch mal verdoppeln.

Die Preisdegression bei der Fotovoltaik in den vergangenen zehn Jahren war gewaltig. Zugleich ist die Leistungsfähigkeit der Module enorm gestiegen. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen – und womöglich dazu führen, dass Windkraft an Bedeutung verliert?
Auch bei der Windkraft werden die Kosten weiter sinken, schon allein wegen der Skaleneffekte: Wenn ich statt 1.000 Windrädern 20.000 baue, kann ich jedes einzelne billiger herstellen. Temporär können die Preise aber auch steigen, weil die Nachfrage zurzeit stark anzieht und es eine Weile dauert, bis die Produktionsseite nachgezogen hat. Bei der Fotovoltaik rechne ich in den kommenden Jahren nicht mehr mit signifikant sinkenden Preisen, nicht zuletzt wegen höherer Personalkosten bei der Installation. 

Und wie viel Luft ist noch bei der Leistung drin? 
Bei der Windenergie sind wir nah am physikalischen Limit. Theoretisch können wir knapp 60 Prozent Wirkungsgrad erreichen, und gute Windräder erreichen heute schon mehr als 50 Prozent. Bei der Fotovoltaik liegt der theoretische Wirkungsgrad über 80 Prozent, und da sind wir in der Serie gerade einmal bei 20 Prozent. Grundsätzlich stehen wir jedoch vor dem Problem, dass die Fotovoltaik im Winter kaum Strom liefert, die Windkraftanlage hingegen schon. Deswegen wird es immer einen Markt für Windenergie geben.

Manch Skeptiker befürchtet, dass die Sicherheit der Stromversorgung in Gefahr ist, wenn sämtliche konventionellen Kraftwerke vom Netz gegangen sind. Ist da etwas dran? 
Na ja, wenn Leute glauben, dass unsere jetzige Energieversorgung unverwundbar ist, müssen wir ihnen diesen Zahn ziehen. Wenn zwei oder drei große Kraftwerke gleichzeitig ausfielen, hätten wir heute einen flächendeckenden Blackout. Die erneuerbaren Energien hingegen arbeiten viel kleinteiliger. Wenn Sie drei Windkraftanlagen umsägen, passiert gar nichts. Zudem sind manche Annahmen ziemlich weit hergeholt. Sicher, wenn alle ihr Elektroauto gleichzeitig laden, wird es dunkel. Doch so etwas wird nicht passieren.  

Hochspannungsleitungen vor den Kühltürmen eines Kraftwerks. Daneben ein Windrad.

Trotzdem werden wir in der neuen Energiewelt stärkere Schwankungen bei den Produktionsmengen haben und mehr Speicherkapazitäten benötigen.
Richtig. Aber ich mache mir wenig Sorgen, dass wir das nicht gelöst bekommen. Allein die Elektroautos in Deutschland, die im vergangenen Jahr zugelassen wurden, haben durch ihre Batterien eine Speicherkapazität, die größer ist als das größte deutsche Pumpspeicherkraftwerk. 

Elektroautos allein werden das Problem nicht lösen. Bergen die Speicher nicht ein enormes Kostenrisiko?
Die Batterietechnologie ist heute vielleicht da, wo die Fotovoltaik vor zehn oder 15 Jahren war. Gerade bei den Lithiumbatterien werden Automatisierung und Rationalisierung die Kosten noch runterbringen. 

Sie selbst betreiben auf dem Dach Ihres Hauses eine Fotovoltaikanlage. Spielen Sie mit dem Gedanken, sich für den optimalen Energiemix auch noch ein privates Windrad anzuschaffen?
Ich halte Anteile an einem Windpark, denn Kleinwindkraftanlagen ergeben keinen Sinn. Bei der Fotovoltaik ist es egal, ob ich die bei mir aufs Dach stelle oder in Brandenburg auf den Acker – da kommt immer das Gleiche pro Quadratmeter heraus. Bei einer Windkraftanlage ist das nicht der Fall. Der Wind nimmt mit der Höhe deutlich zu. Die Erträge, die man auf dem eigenen Dach erzielen kann, sind sehr gering. Zudem riskiert man Ärger mit dem Nachbarn, der sich beschwert, das Ding mache Krach.