Ohne Wasser geht es bei Evonik nicht. Allein zur Kühlung ist es unersetzlich. Damit die Versorgung gesichert ist und die Ressourcen geschont werden, kommen je nach Standort unterschiedliche Strategien zum Einsatz – von Regenrückhaltebecken in Südafrika über Hightech-Filter in Thailand bis zu Rückkühlanlagen in Deutschland. Eine nachhaltige Weltreise
Heiße Sommer bedeuten Stress für Hannah Gerwing. Als Mitarbeiterin der Business Line Logistics in Essen hält sie für Evonik die Wasserstandsprognosen für den Rhein im Auge. Entlang seinen Ufern befinden sich zahlreiche Chemiefabriken. Droht ein kritischer Rückgang, ruft sie die Taskforce Niedrigwasser zusammen. „Im vergangenen Jahr war das von Juni bis September praktisch jede Woche nötig“, erzählt Gerwing. Damals machte der Wassermangel im Rhein europaweit Schlagzeilen. Frachtschiffe verkehrten nur teilbeladen oder fuhren gar nicht. Rohstoffe und Produkte blieben nicht nur bei Evonik liegen oder mussten auf Straße oder Schiene transportiert werden. Es drohten Schwierigkeiten bei der Versorgung und beim Kühlen von Produktionsanlagen. „Wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern, muss die Produktion gedrosselt werden“, so Gerwing.
Zu wenig Wasser oder zu viel?
Niedrige Flusspegel betreffen Produktionsanlagen in vielerlei Hinsicht: „Ohne Wasser geht gar nichts“, sagt Ulf Auerbach, der sich bei Evonik konzernweit ums Thema Wasser kümmert. „Wir müssen das sehr ernst nehmen.“ Das Unternehmen analysiert die Wassersituation an seinen Standorten weltweit genau und hat anhand der Befunde prognostiziert, wie sie sich bis 2030 beziehungsweise 2040 verändern wird. Das Ergebnis: Immerhin einem Viertel aller Standorte droht Wassermangel.
„Mangel ist nur ein Problem. Andernorts sind Überschwemmungen das größere Risiko – oder die politischen und sozialen Rahmenbedingungen“, sagt Aurelie Wojciechowski, die bei Evonik im Bereich Sustainability Strategy arbeitet. Um all das zu bewerten, will Evonik künftig den „Water Risk Filter“ der Naturschutzorganisation WWF nutzen, eine Methodik, die neben drohender Knappheit viele weitere lokale Faktoren berücksichtigt. „Wasser ist – anders als CO₂ – eine lokal wirkende und von Ort zu Ort sehr differenziert zu bewertende Größe“, sagt Wojciechowski.
JEDER LITER WIRD SECHSMAL GENUTZT
Chemie braucht Wasser – viel Wasser. Für chemische Reaktionen, als Verdünnungs- und Lösemittel, fürs Waschen und Reinigen und vor allem zum Kühlen. 3,9 Billionen Kubikmeter Süßwasser entnehmen die Menschen jährlich der Natur. Davon werden laut Weltbank im Schnitt 15 Prozent industriell genutzt. Und die Chemiebranche ist nach der Energieversorgung der durstigste Industriezweig. In Deutschland ist sie der größte Wasserverbraucher im verarbeitenden Gewerbe. Dem Statistischen Bundesamt zufolge nutzt die Branche pro Jahr rund 2,6 Milliarden Kubikmeter Wasser.
Die gute Nachricht: Chemieunternehmen konnten ihren Wasserbedarf hierzulande in den vergangenen drei Jahrzehnten weitgehend vom Wachstum entkoppeln. So sank die Wasserentnahme der Branche zwischen 1991 und 2016 um knapp 40 Prozent, während die Produktion zeitgleich kräftig anwuchs. Dahinter steckt ein grundsätzliches Umdenken. Laut dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) nutzt die Branche heute jeden Liter Wasser fast sechsmal, bevor er gereinigt an die Umwelt abgegeben wird.
Auch Evonik setzt beim Wasser auf Kreislaufwirtschaft. Weltweit hat das Unternehmen 2022 rund 446 Millionen Kubikmeter Wasser entnommen, etwas mehr als die Hälfte davon Süßwasser. Die konzernweit eingesetzten Wassermengen sind zwar weitaus größer, doch das meiste davon zirkuliert in geschlossenen Systemen und muss nicht andauernd erneuert werden.
Zugleich arbeitet das Unternehmen stetig daran, die spezifische Wasserentnahme – also die Menge an Wasser pro produzierter Tonne Produkt – zu verringern. Im Rahmen der neuen Wassermanagementstrategie sollen bis 2030 noch einmal drei Prozent weniger Süßwasser eingesetzt werden. Wo es sich anbietet, wird stattdessen Salzwasser genutzt. So kühlt Evonik seine Methioninproduktion in Singapur komplett mit Meerwasser. Das geht, weil die Verwaltung des Stadtstaats die wichtige Ressource aufbereitet und die Anlage von Evonik mit besonders korrosionsbeständigen Materialien gebaut wurde. So müsse jeder Standort die passende Lösung für lokale Gegebenheiten finden, sagt Auerbach.
Eine Regel gilt jedoch weltweit: „Weil rund 90 Prozent unseres Wassereinsatzes der Kühlung dienen, hängen Energie- und Wasserverbrauch besonders eng zusammen“, so Auerbach. Wo Abwärme genutzt wird, um Energie zu sparen, sind an einer Stelle weniger Kühlwasser und an anderer weniger Dampf zum Erhitzen nötig. Im Rahmen eines weltweiten Technologieprogramms trimmt Evonik für bis zu 700 Millionen € derzeit Standorte in aller Welt auf Energieeffizienz, um CO₂-Emissionen einzusparen. Lässt sich damit auch der Wasserbedarf senken, lohnen sich die Investition umso mehr.
Um das Bewusstsein dafür weiter zu schärfen, entwickelt Evonik eine eigene Wasserpolitik mit konzernweiten Handlungsanweisungen und bezieht dabei auch Kunden und Lieferanten ein. „Wasser ist eigentlich zu billig, aber die Risiken sind es eben nicht“, sagt Nachhaltigkeitsexpertin Wojciechowski. „Wir müssen überall in der Welt die jeweils lokal drohenden Szenarien einkalkulieren – um dann nötigenfalls richtig und rechtzeitig gegenzusteuern.“
Antwerpen
KÜHLEN MIT ABWASSER
LAND: Belgien
LAGE: 51° 18’ N, 4° 18’ O
KLIMA: warm/gemäßigt
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 11 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 816 mm
REGENTAGE: 120
Das Wasser ist nie weit: Auf einem schmalen Landstreifen zwängt sich der große Produktionsstandort von Evonik im belgischen Antwerpen zwischen einen Kanal und die Schelde, die hinter Europas zweitgrößtem Seehafen auf einen Kilometer Breite und mehr anwächst, ehe sie in die Nordsee mündet. Trotzdem zerbrechen sich die Standortverantwortlichen schon länger den Kopf, wie es langfristig weitergeht mit der Wasserversorgung. Denn die Anlagen von Evonik brauchen viel Flüssigkeit für Kühlung, Dampf und Prozesse.
Weil die Gezeiten Salz- und Süßwasser in der Schelde zu Brackwasser vermischen, ist es nicht für alle Zwecke zu gebrauchen. Auch der etwas weniger salzige Kanal ist nicht endlos nutzbar: „Lange konnten wir unseren Kühlbedarf mit Kanalwasser zur Durchlaufkühlung decken“, erklärt Dirk Goossens, Sustainability Coordinator am Standort. Mit dem Bau zweier großer Anlagen stieß man aber vor Jahren an Grenzen: „Vor allem im Sommer können und dürfen wir nicht beliebig viel Wärme an den Kanal abgeben“, so Goossens. Zu warmes Wasser würde das biologische Gleichgewicht stören. Alle neuen Anlagen kühlt Evonik deshalb mithilfe von Kühltürmen, die Wasser im Kreis führen und Wärme an die Luft abgeben. „Dazu brauchen wir aber sehr sauberes Süßwasser“, sagt Jorn Walscharts, Betriebsleiter Energie und Abwasser am Standort. Rund 1,4 Millionen Kubikmeter müssen pro Jahr eingespeist werden, um verdunstete Mengen auszugleichen und das System nicht auf Dauer „verkalken“ zu lassen. Sie kommen heute noch aus dem öffentlichen Trinkwassernetz. Das soll sich bald ändern: „Wir wollen kommunales Abwasser der Stadt Antwerpen so aufbereiten, dass wir es direkt für die Kühlung einsetzen können“, so Walscharts.
Auf dem Gelände eines ehemaligen Opel-Werks plant Antwerpens kommunaler Wasserversorger zusammen mit mehreren Technologieunternehmen eine Art Kühlwasserfabrik. Dort soll künftig das Abwasser von 600.000 Haushalten aufbereitet werden – rund 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr. „Das Wasser hat die normale Kläranlage schon durchlaufen und würde eigentlich in den Fluss eingeleitet werden“, erklärt Walscharts. Stattdessen wird es künftig in einer sogenannten Umkehrosmose noch einmal durch eine spezielle Membran gedrückt, die letzte Verunreinigungen und Salze entfernt. „Das Ergebnis ist recyceltes Wasser, das salzärmer ist als Trinkwasser“, sagt Walscharts. „Das ist für uns von großem Vorteil.“
Denn Evonik kann so in Antwerpen nicht nur auf wertvolles Trinkwasser für die Kühlung, sondern auch in der Dampferzeugung und für chemische Prozesse verzichten – in Summe rund 2,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Auch die standorteigenen Entsalzungsanlagen werden entlastet. „Dadurch sparen wir noch einmal gut zehn Prozent Wasser und zusätzliche Chemikalien“, sagt Goossens. In drei Jahren soll die Anlage laufen.
Map Ta Phut
SPAREN MIT FILTERTECHNIK
LAND: Thailand
LAGE: 12° 42’ N, 101° 6’ O
KLIMA: tropisch
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 27,2 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 1.807 mm
REGENTAGE: 155
An Wetterextreme ist Thailand gewöhnt. Das ganze Land ist davon abhängig, dass in der Regenzeit Wasser in Reservoirs zurückgehalten wird, um Überschwemmungen zu verhindern. In der Trockenzeit ermöglichen diese Speicher dann eine sichere Versorgung mit Wasser und Strom, der mittels Wasserkraft gewonnen wird. „Das richtige Management dieser Reservoirs ist extrem wichtig, wird aber durch den Klimawandel erschwert“, sagt Surasak Photia, der den Evonik-Standort Map Ta Phut leitet. Dort stellt die Business Line Silica gefällte Kieselsäure her, die in Produkten vom Autoreifen bis zur Zahnpasta zum Einsatz kommt. Der Produktionsprozess benötigt viel Wasser. Das Produkt wird als weißes Pulver aus der Flüssigkeit gefällt und dann in Filterpressen abgetrennt und getrocknet. „Je nachdem, wie man diesen Prozess fährt, lässt sich viel Wasser sparen“, erklärt Photia. Das haben seine Techniker 2020 unter Beweis gestellt, als in Thailand nach einigen extremen Wetterereignissen das Thema Wasser einmal mehr politisch hochkochte. Ohne Investitionen konnte der Standort durch veränderte Filtereinstellungen den Wasserbedarf um zehn Prozent reduzieren.
UMBOGINTWINI
OSMOSE STATT DESTILLATION
LAND: Südafrika
LAGE: 30° 0’ S, 30° 54’ O
KLIMA: warm/gemäßigt
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 20,5 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 887 mm
REGENTAGE: 89
Seinen Namen verdankt der Umbogintwini Industrial Complex dem nahe gelegenen Fluss, der Indische Ozean ist auch nur einen guten Kilometer entfernt. Wasser müsste es demnach in Hülle und Fülle geben. Dennoch ist man im Chemiepark südlich der südafrikanischen Millionenstadt Durban, wo Evonik Wasserstoffperoxid produziert, besorgt. Die unternehmenseigene Wasserstressanalyse attestiert dem Standort nur ein moderates Risiko, doch Extremwetterlagen nehmen zu. „Wir sparen Wasser im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsverpflichtungen und um Auswirkungen auf unser Umfeld zu reduzieren“, sagt Surie Govender, die Nachhaltigkeitsbotschafterin für den Standort. „Jeder Tropfen hilft.“ Die Maßnahmen sind vielfältig. Gesammeltes Regenwasser versorgt bereits Sanitäranlagen – künftig soll es im Lager auch zum Reinigen von Transportfässern genutzt werden. Die Pläne in Umbogintwini reichen noch weiter: Kühlwasser ließe sich aufbereiten und in der Produktion verwenden. Ein Projektteam arbeitet daran, Wasserstoffperoxid per Umkehrosmose mittels Membranen aufzubereiten, statt es zu destillieren. Dies würde Dampfenergie, Kühlbedarf und damit auch Wasser sparen.
Wesseling
ENTLASTUNG FÜR DEN FLUSS
LAND: Deutschland
LAGE: 52° 48’ N, 7° 18’ O
KLIMA: warm/gemäßigt
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 10,7 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 847 mm
REGENTAGE: 115
Zwei moderne Kühltürme sorgen in Wesseling dafür, dass die Silicaproduktion ohne saisonale Unterbrechung laufen kann. Sie kühlen die gereinigten Abwässer nach dem Auswaschen von Filterpressen besonders energieeffizient. Der Rhein profitiert von der niedrigeren Einleittemperatur.
Marl
KREISLAUF FÜRS KÜHLWASSER
LAND: Deutschland
LAGE: 51° 42’ N, 7° 6’ O
KLIMA: warm/gemäßigt
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 10,6 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 884 mm
REGENTAGE: 197
Rund 600 Millionen Kubikmeter Wasser nutzt der Chemiepark Marl pro Jahr. Trotzdem sprechen sie hier am Nordrand des Ruhrgebiets von einem „trockenen Standort“. Denn der Chemiepark liegt an keinem großen Fluss, der Rhein ist Luftlinie gut 20 Kilometer entfernt. Die beschauliche Lippe, die sich im Norden des Geländes vorbeischlängelt, und der Wesel-Datteln-Kanal direkt neben dem Industrieareal können den Durst des Standorts nicht stillen.
Auf sechs Quadratkilometern (der dreifachen Fläche Monacos) sind im Chemiepark Marl drei Kraftwerke und rund 100 Produktionsanlagen von mehr als 20 Unternehmen im Einsatz. Praktisch überall ist Wasser gefragt – als Prozess-, Lösch-, Wasch- oder Trinkwasser, vor allem jedoch als Mittel zur Kühlung und zur Dampferzeugung. Über die Jahrzehnte ist es gelungen, den Bedarf weitgehend von den umliegenden Gewässern abzukoppeln. Statt wie früher Flusswasser zur Durchlaufkühlung zu verwenden, wird das Wasser dazu heute in sogenannten Rückkühlanlagen im Kreis geführt.
Insgesamt rund 80 solcher Kühlzellen verteilen sich auf 18 Rückkühlwerke im Chemiepark. Darin wird Wasser auf Verdunstungskörper gerieselt, während von oben ein großer Ventilator Luft durch das System zieht. Auf diese Weise gibt das warme Wasser Verdunstungsenergie an die Luft ab. Über Rohrsysteme wird das auf eine Zieltemperatur von 20 Grad abgekühlte Wasser zu den Kunden im Park geleitet, die damit ihre Prozesse kühlen und es anschließend um maximal zehn Grad erwärmt zurückführen. Lediglich ein bis anderthalb Prozent des Kühlwassers verdunsten in der Rückkühlanlage und müssen mit aufbereitetem Wasser aus dem Wesel-Datteln-Kanal ersetzt werden.
In Zukunft soll dieser Bedarf weiter sinken. Dazu werden die Betriebe mehr von ihrer Abwärme selbst nutzen oder dorthin abgeben, wo Prozesswärme gebraucht wird. In einem eigenen Abwärmenetzwerk fließt bis zu 80 Grad heißes Wasser von Anlage zu Anlage. „Das ist komplexer als der Kühlkreislauf. Wir müssen die Einspeiser und Abnehmer genau austarieren, damit das System stabil funktioniert“, erklärt Johannes Offer, verantwortlich für Projekte im Bereich Utilities bei Evonik. Der Aufwand lohnt sich: Schon heute können bis 60 Megawattstunden getauscht werden, was dem Wärmebedarf von etwa 6.000 Einfamilienhäusern entspricht. Weitere 50 Megawattstunden wären möglich, meint Offer. „Entsprechend viel könnten wir sparen – nicht nur an Energie, sondern auch an Wasser zur Kühlung und für die Dampferzeugung.“
Für die renaturierte Lippe, ein beliebtes Naherholungsgebiet der Region, ist neben der Entnahme von Wasser vor allem der Zufluss wichtig. Der Chemiepark Marl leitet jährlich rund 15 Millionen Kubikmeter Wasser ein – gut dreimal so viel, wie er ihr entnimmt. Ein Großteil stammt aus eigenen Brunnen sowie aus Regenwasser und Grundwasser. „Alles, was auf unsere Anlagen und unsere Flächen regnet oder durch unseren Boden geht, müssen wir auffangen und aufbereiten für den Fall, dass es verunreinigt wurde“, erklärt Jörg Gisselmann, der bei Evonik die Umweltbetriebe Marl leitet. Die Aufbereitung der Abwässer übernehmen Bakterien in einer biologischen Kläranlage. In großen Becken eliminieren sie chemische Verbindungen von Kohlenstoff, Stickstoff oder Phosphor.
Um der wachsenden Abwasserlast durch Kapazitätserweiterungen Herr zu werden, hat Evonik zuletzt eine sogenannte Fenton-Anlage installiert. Damit werden stärker verschmutzte Abwässer vorbehandelt, um sie für die Bakterien „verdaulich“ zu machen. Das Besondere: Mittels Wasserstoffperoxid, das Evonik selbst herstellt, können auch komplexe Kohlenstoffverbindungen umweltschonend zerlegt werden. Das Wasserstoffperoxid selbst wird durch Eisensalze zusätzlich aktiviert. Es entstehen sogenannte Hydroxylradikale, die organische Abwasserinhaltsstoffe aufspalten. So lassen sich auch schwer abbaubare Abwässer biologisch reinigen, und die Lippe bleibt sauber.
Mobile
SAUBER DANK SUMPFPFLANZEN
LAND: USA
LAGE: 20° 30’ N, 88° 6’ W
KLIMA: warm/gemäßigt
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 19,9 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 1.396 mm
REGENTAGE: 96
Kugelbinse und Südlicher Rohrkolben müssen es richten. Die beiden Sumpfpflanzen wachsen auf einem Schotterbett aus gebrochenem Kalkstein am Rand des Evonik-Standorts Mobile. „Anfang der 2000er-Jahre, als das Becken zusätzlich installiert wurde, um mit der wachsenden Produktion Schritt zu halten, war das ein echtes Novum. NASA-Wissenschaftler hatten Jahre an der Idee getüftelt“, sagt Trey Laubenthal, der am Standort für die gesamte Abwasserbehandlung verantwortlich ist. Hier, im US-Bundesstaat Alabama, setzt das Unternehmen auf eine besonders naturnahe Aufbereitung der Abwässer – immerhin rund 4,5 Millionen Liter am Tag. Ehe die in den nahe gelegenen Theodore Industrial Canal abgeleitet werden, durchlaufen sie mehrere Aufbereitungsstufen. Die letzte ist die sogenannte Sumpfkläranlage: ein Bassin, etwas größer als ein Fußballfeld.
Die Pflanzen darin bilden im Schotterbett ein dichtes Wurzelnetz, mit dem sie dem Wasser nahezu alle verbliebenen Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverbindungen entziehen. Diese könnten dem natürlichen Lebensraum im Kanal schaden. Im Becken gedeihen die Pflanzen derweil so gut, dass sich dazwischen Insekten, Kleintiere und Schlangen tummeln. „Was wir dann in den Kanal einleiten, ist sauberer als das Kanalwasser selbst“, so Laubenthal, der Theodore Industrial Canal – eine Art Sackgasse in der Mobile Bay – sei deshalb heute bei Hobbyanglern beliebt. Nur vor den Alligatoren solle man sich in Acht nehmen.
DOMBIVLI
PRODUKTE AUS PROZESSWASSER
LAND: Indien
LAGE: 19° 12’ N, 73° 6’ O
KLIMA: tropisch
DURCHSCHNITTSTEMPERATUR: 26,7 °C
JÄHRLICHE NIEDERSCHLAGSMENGE: 1.439 mm
REGENTAGE: 91
Suresh Pillai ist Geschäftsführer von Evonik Catalysts India. 2022 hat das Unternehmen an seinem Standort Dombivli eine Zero-Liquid-Discharge-Anlage (ZLD) in Betrieb genommen. Sie reinigt das Abwasser und verwandelt Material, das zuvor als Abfall eingestuft wurde, in ein verkaufsfähiges Produkt.
Was leistet die Zero-Liquid-Discharge-Anlage?
Wir nutzen unsere ZLD-Anlage, um unser Prozesswasser zu reinigen. Dabei handelt es sich um Wasser, das wir zum Beispiel zur Herstellung von Metallkatalysatoren verwendet haben. Wir reinigen mit unserer Anlage etwa 550 bis 600 Kubikmeter Abwasser pro Tag. Das entspricht 25 bis 30 Tankwagenladungen. Mehr als die Hälfte davon können wir in unserem Produktionsprozess direkt wiederverwenden. Den Rest verwenden wir als Kühlwasser.
Warum ist das wichtig?
Für uns und unsere Kunden geht es längst nicht nur um Ökologie – das Thema ist ein wichtiger Wachstumstreiber für unser Geschäft. Hier kommt die ZLD-Anlage ins Spiel. Sie zeigt, dass wir es ernst meinen. Konkret können wir unseren Frischwasserverbrauch um rund zwei Drittel reduzieren. Darüber hinaus fallen bei dem Verfahren etwa zehn bis 15 Tonnen Natriumsulfat und bestimmte Mischsalze an, die als Handelsprodukte verkauft werden können.
Wie weit ist das ZLD-Konzept in Indien verbreitet?
Die Idee, flüssige Abfälle zu vermeiden, ist nicht ganz neu. Sie ist wichtig, vor allem hier in der Region Maharashtra, wo die Sommer heiß und trocken sind und Wasser kostbar ist. Dennoch ist unser Projekt vorbildlich. Soweit ich weiß, sind wir eines der ersten Unternehmen in der Region, die ZLD nicht nur für einen ausgewählten Prozessablauf oder Anlagenabschnitt einsetzen, sondern für das gesamte Prozesswasser. So zeigen wir, wie eine konsequente Ressourcenschonung umgesetzt werden kann.