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Ein 3D-gerendertes Bild: Es zeigt Tomaten in einem Gewächshaus. Darunter laufen Leitungen, durch die symbolisch auch Daten fließen.

Keime unter Kontrolle

Sauberes Wasser Nachhaltigkeit Bodenschutz
In modernen Gewächshäusern fließen außer Wasser auch jede Menge Daten. Digitale Technik hilft, die Keimbelastung in Bewässerungsanlagen zu minimieren.
Lesedauer 9 min
12. August 2024

Für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion braucht es neue Anbauformen, die mit weniger Fläche und Wasser auskommen und möglichst keine Pestizide erfordern. Evonik hilft dabei – mit umweltschonender Chemie und digitaler Technik.

Tom Rademacher
Autor Tom Rademacher

Freier Journalist in Köln

Die natürlichen Feinde der Tomatenpflanze tragen exotische Namen: Pythium, Fusarium und Xanthomonas, Rhizobium oder Jordanvirus. Und sie lauern überall. „Das Tabakmosaikvirus zum Beispiel könnte jeder Raucher unbemerkt an seinen Händen in unser Gewächshaus tragen“, sagt Gemüsebauer Tobias Jörg. „Dann droht Totalausfall, die Frucht wird unverkäuflich, die Pflanzen sterben ab, alle.“ Deshalb führt jeder Gang in Jörgs Gewächshaus durch eine digital überwachte Hygieneschleuse, deren Bürstenboden die Schuhsohlen mit Desinfektionsmittel benetzen. Auch Händereinigung und -desinfektion sind Pflicht, bevor das Drehkreuz den Durchgang freigibt.

Es geht um viel. Das Gewächshaus der Reichenauer Gärtnersiedlung in Singen nahe dem Bodensee ist 13 Hektar groß, das entspricht rund 18 Fußballfeldern unter Glas. Jörg und vier Mitgründer haben den Betrieb gemeinsam 2011 gegründet. Alle fünf stammen aus Familien, die seit Generationen Gemüse angebaut haben – aber nie in diesen Dimensionen: Rund 900 Tonnen Tomaten, 2.000 Tonnen Paprika und drei Millionen Auberginen ernten die fünf hier jedes Jahr. Mit den kleinen Höfen der Eltern und Großeltern hat das nichts mehr zu tun: Bewässerung, Düngung, Belüftung, Heizung – alles ist hier automatisiert. Geerntet und verpackt werden die wertvollen Früchte von Hand, bis in den November hinein. Danach folgt eine gründliche Reinigung des Gewächshauses und einige Tage später die abschließende Des­infektion, ehe im Januar neu gepflanzt wird. „Ein einziges Mal, 2018, haben wir einen Fusarium-Befall von einem Jahr ins andere verschleppt“, erinnert sich Jörg. Das soll ihm nie wieder passieren.

Im Vordergrund zwei offene Regenwasserspeicherbecken, dahinter das riesige Gewächshaus, ganz im Hintergrund sind Berge zu sehen.

Hygiene ist extrem wichtig in dieser modernen Form der Lebensmittelproduktion: „In geschlossenen Systemen wie einem Gewächshaus mit Kreislaufwasser können sich Krankheitserreger schnell überall ausbreiten. Dem kommt man dann fast nur noch mit Pestiziden bei – wenn überhaupt“, erklärt Achim Marx. „Daher beschäftigen wir uns mit präventiven Hygienelösungen, um von vornherein die Ausbreitung von Keimen einzudämmen.“ Marx ist kein Landwirt, sondern gelernter Biotechnologe und arbeitet heute als Digitalexperte bei der Evonik Digital GmbH in Essen. Das Unternehmen entwickelt im Auftrag des Spezialchemieunternehmens seit 2017 neue, digitale Geschäftsfelder – auch in der Landwirtschaft.

Auf dem Weg ins Internet of Things

Durch große Datenanalysen können wir Systeme wie einen Stall, einen tierischen Organismus oder auch ein Gewächshaus besser verstehen“, erklärt Marx. „So ist es möglich, Störfaktoren wie Krankheiten zu antizipieren und dann früher, effektiver und meist viel sanfter gegenzusteuern.“ Das gilt für die Tierproduktion, wo digitale Lösungen von Evonik heute schon helfen, das Futter, die Darmgesundheit und das generelle Wohlergehen von Schwein, Huhn oder Lachs so zu verbessern, dass zum Beispiel Antibiotika überflüssig werden. Nun soll Digitalisierung auch Tomate, Salat und anderes Gemüse schützen.

Evonik war mit der seit 2022 entwickelten holistischen Lösung kürzlich für den Deutschen Innovationspreis nominiert. Sie kombiniert Wissen von Evonik und konzerneigenen Produkten für die Wasserhygiene mit Know-how aus der landwirtschaftlichen Praxis sowie neuen Entwicklungen in Bereichen wie Big Data und Gen­analysen. Von zentraler Bedeutung sind dabei Internet-of-Things-Anbindungen, die eine telemetrische Fernüberwachung erlauben und in enger Zusammenarbeit mit Siemens Digital Industries entwickelt wurden.

Ein Portraitbild von Stephan Neumayer, Evonik

»Prozessautomatisierung und Fernüber­wachung erlauben es uns, Wasserhygiene als Service anzubieten.«

Stephan Neumayer Senior Manager im Business Development Active Oxygens bei Evonik

Die vielleicht wichtigste Neuerung für Evonik selbst ist jedoch das zugrunde liegende Geschäftsmodell: „Wir haben es geschafft, die Überwachung der Keime im ­Wasser und auch die Gegenmaßnahmen stark zu automatisieren und digital zu optimieren. Das bedeutet: Wir können dem Gemüseproduzenten Wasserhygiene als Service anbieten“, erklärt Marx.

Die Hardware besteht im Wesentlichen aus einer digital angesteuerten Dosiereinheit, mit der sich verschwindend kleine, aber effektive Mengen einer Aktivsubstanz wie Wasserstoffperoxid von Evonik in einen Wasserkreislauf einspeisen lassen.

Das kann das Tränksystem für eine Hühnerfarm sein oder eben die Tröpfchenbewässerung in einem großen Tomatengewächshaus. Um schädliche Keime zu entfernen, reichen Mengen von „parts per million“, also unter einem Tausendstel Prozent.

Zum Vergleich: Apotheken bieten Wasserstoff­peroxid frei verfügbar in dreiprozentiger Konzentration als Mundwasser zum Gurgeln an.

Große graue Wasserbehälter im Gewächshaus.
Tobias Jörg steht zwischen zwei Tomatenbeeten und schaut sich doe Pflanzen an.
Wohldosiert: Tobias Jörg setzt für den Anbau von Tomaten, Paprika und Auberginen auf effiziente Tropfbewässerung.

Komplexe Technologie einfach gemacht

Das Besondere an der neuen Lösung von Evonik ist vor allem, dass die Dosierung intelligent gesteuert wird: Sensoren sammeln Wasserdaten in Echtzeit, und komplexe Datenanalysen helfen, die optimale Dosierung zu ermitteln. Dabei fließen Umgebungsparameter, Informationen über Betriebsabläufe und perspektivisch auch zyto­metrische Analysen – also genaue Keimbestimmungen – ein. Sensoren und Dosiereinheit kommunizieren drahtlos über das Internet of Things. So kann Evonik zentral alle Daten überwachen und das System lernen lassen. „Der Nutzer bekommt von dieser Komplexität gar nichts mit. Für ihn bleibt es einfach“, sagt Marx. „Unser System lernt aber zugleich selbstständig hinzu und führt die Anwender ganz unkompliziert durch die Handhabung.“

Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen: „Wir bedienen damit auch den Wunsch nach Prozesssicherheit und Komfort“, sagt Frank von der Haar. Evonik hat dieses „Rundum-sorglos-Paket“ in Zusammenarbeit mit ihm entwickelt. „Niemand will sich um Wasserhygiene kümmern. Das ändert sich oft erst, wenn mal etwas richtig schiefläuft“, sagt von der Haar.

Der Ingenieur aus der Nähe von Osnabrück kennt sich auf dem Gebiet bestens aus. Er hat sich vor rund 20 Jahren mit Anlagen zur Wasserdesinfektion in der Landwirtschaft selbstständig gemacht und vertreibt sie in ganz Deutschland. „Es spricht sich herum, wenn einer plötzlich allein durch Wasserhygiene deutlich bessere Ergebnisse erzielt“, sagt er. So kam Evonik-Mann Marx nicht ganz zufällig auf von der Haar und die Wasserhygiene. Für seinen Essener Arbeitgeber hatte Marx schon einige Höfe besucht. „Da fiel mir immer wieder dieser Aufkleber ins Auge“, erinnert sich Marx: „‚Agrarhygiene – Wassertechnik – Frank von der Haar‘.“

Der Sticker klebt auch in Singen. Dort half von der Haar, im Jahr 2018 den Fusarium-Ausbruch bei Tobias Jörg in den Griff zu bekommen. Heute wird fast ausschließlich mit Regenwasser bewässert, das über das Glasdach aufgefangen, in drei großen Teichen gesammelt und bislang mit UV-Licht desinfiziert wird. „Die automatisierte Lösung von Evonik ist für uns eine interessante Weiterentwicklung in der Wasserhygiene“, sagt Jörg. „Vor allem ist es interessant zu wissen, gegen welchen Erreger im Wasser man die Abwehr überhaupt hochfahren muss.“ Um das zu ermöglichen, hat Evonik eigens in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel zeigen lassen, wie man den „Fingerabdruck“ bestimmter Schadkeime im Wasser nahezu in Echtzeit ermittelt.

Ein rotes Absperrventil zwischen Pflanzenblättern.

Mit einem PCR-Gerät und einem Durchfluss-Zytometer ließ sich Rhizobium rhizogenes treffsicher und praktisch vollautomatisch im Wasser identifizieren. Das Bakterium ist verantwortlich für das Crazy-Roots-Syndrom, bei dem Pflanzen plötzlich unkontrolliert Wurzeln ausbilden. „Wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben, können wir effektiver Gegenmaßnahmen ergreifen“, sagt Jörg, „Nicht jeder Keim ist schließlich gleich problematisch. Aber wenn wir Proben erst einschicken und auf Ergebnisse warten müssen, ist es meist schon zu spät.“

Ulrich Schurr schaut über einige Jungpflanzen hinweg in die Kamera. Er hat graue Haare, einen Bart und trägt eine Brille.
Farm der Zukunft: In Jülich forscht Ulrich Schurr an Pflanzen und neuen Anbautechnologien.

Die Wurzel im Visier

Im Forschungszentrum Jülich (FZJ) bei Aachen geht man den Ursachen von Schädlingsbefall weiter auf den Grund. Im Forschungsgewächshaus des Instituts für Pflanzenwissenschaften arbeitet Professor Dr. Ulrich Schurr mit seinem 170 Personen starken Team an neuen Konzepten für eine nachhaltigere Landwirtschaft. „Neue und verbesserte Anbaumethoden können helfen, Lebensmittel nachhaltiger zu produzieren und vor allem die Produktion auch auf veränderte Rahmenbedingungen – etwa durch den Klimawandel – anzupassen“, erklärt Schurr. In den Forschungsgewächshäusern widmet man sich der deutschen Zuckerrübe genauso wie der „Tropenkartoffel“ Maniok. Gerade erst hat Schurr eine Delegation aus Ostafrika durch die Versuchsanlagen geführt.

Ein Spezialgebiet der Wissenschaftler ist das versteckte Leben der Pflanzen unter der Erde – die „Hidden Half“, wie sie hier sagen. „Wir schauen nicht nur auf den Spross, also alles, was oberhalb der Erde wächst, sondern insbesondere auf die Wurzeln“, so Schurr. Dazu nutzen seine Leute Technologien, die es erlauben, den Wurzeln beim Wachsen zuzuschauen und sogar den Fluss von Wasser und Nährstoffen innerhalb der Wurzeln zu verfolgen. Weltweit einzigartig ist die Jülicher Rhizotron-Anlage: knapp 1.000 schräg angeordnete Pflanzbehälter mit durchsichtigem Boden und mehrere Roboter, die dazwischen hin- und herfahren. Die Wurzeln der Pflanze wachsen entlang der Scheibe nach unten. Mehrmals am Tag picken die Roboter jedes Gefäß aus der Anlage, um ein hochauflösendes Foto davon zu schießen.

Anhand Zigtausender solcher Aufnahmen und mittels KI-gestützter Bildauswertung erforscht Dr. Vitalij ­Dombinov zum Beispiel, wie man brasilianischen Ackerpflanzen einen Dünger aus Zuckerrohrasche schmackhaft machen könnte – ein dort reichlich vorhandener Reststoff aus der Landwirtschaft. Gleich nebenan stehen MRT- und PET-Geräte. Beide Verfahren, die Magnet­resonanztomografie wie auch die Positronenemissions­tomografie, kennt man sonst eher aus der Medizin. In Jülich zeigen die Forschenden damit zum Beispiel, wie Rüben wachsen, wie sie Kohlenstoff in Form von Zucker einlagern und wie bestimmte Krankheiten diesen Prozess behindern.

Im Auftrag von Evonik testen die Jülicher Wissenschaftler nun, was der innovative Serviceansatz von ­Evonik für die Pflanzen- und die Wurzelgesundheit tun kann. Es geht um mehr als rein wissenschaftliche Nachweise. Das FZJ ist eine wichtige Schnittstelle in die ­Praxis: „Wir übersetzen Forschungsergebnisse in praktische Empfehlungen und Methoden für die Landwirtschaft“, erklärt Dr. Arnd Kuhn, einer der erfahrensten Mitarbeiter im Team von Professor Schurr. So arbeitet das FZJ regelmäßig mit Gartenbauern, Landwirten und Züchtern in der Region zusammen, um solche neuen Technologien unter Realbedingungen zu erproben.

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Ein Fall für Wasserstoffperoxid

Bei den Versuchen geht es auch um die Anwendung von Wasserstoffperoxid zur Keimbekämpfung. „Unser neuer Lösungsansatz funktioniert mit jedem üblichen Des­infektionsmittel“, sagt Stephan Neumayer. „Aber Wasser­stoffperoxid hat ökologisch klare Vorteile.“

Neumayer ist Senior Manager im Business Development bei Active Oxygens, der Business Line von Evonik, die vor allem Wasserstoffperoxid produziert. Mit mehr als einer Million Tonnen Jahreskapazität und rund 20 Produktionsstätten ist Evonik einer der weltweit größten Hersteller.

Die Verbindung aus zwei Wasserstoff- und zwei Sauerstoffatomen zersetzt schädliche Keime verlässlich und zerfällt selbst anschließend in Wasser und Sauerstoff. „Es bleiben also keine schädlichen Rückstände, wie es bei manchen anderen Desinfektionsmitteln der Fall sein kann“, so Neumayer.

Aus diesem Grund wird Wasser­stoffperoxid als umweltschonendes ­Bleichmittel in der Papier- und Zellstoffproduktion eingesetzt. Es dient außerdem häufig als Desinfektionsmittel in der Lebensmittelindustrie und sogar als nachhaltiger Raketen­treibstoff in der zivilen Raumfahrt.

Grau-weiße Kästen stehen unter zahlreichen Hängelampen.

In Jülich entsteht das nötige Wasserstoffperoxid im Forschungsgewächshaus selbst. Dazu reicht ein etwa kühlschrankgroßes Gerät der Firma HPNow. Es ist die neueste Gerätegeneration des dänischen Herstellers, an dem Evonik seit 2017 beteiligt ist.

Im Innern wird mithilfe eines Katalysators einprozentiges Wasserstoffperoxid produziert. Mehr als Luft, einen Wasseranschluss und eine Steckdose braucht es nicht.

„Die Mengen, die das Gerät liefert, reichen völlig aus für diese Anwendung“, sagt Neumayer. „Uns geht es hier nicht in erster Linie um große neue Absatzmärkte für Wasserstoffperoxid.“ Evonik vermarktet vielmehr Wasserhygiene als Service zum Pauschalpreis. Für einen fixen Betrag pro Anbaudurchgang sorgt das Spezialchemieunternehmen dafür, dass das Wasser „sauber“ bleibt.

„Diese Denkweise ist noch jung in einem Unternehmen, das seit Generationen seine Geschäfte mit dem Herstellen und Verkaufen chemischer Produkte macht“, sagt Neumayer. Aber der Trend gehe zu „Anything as a Service“. Statt bloßen Chemieprodukten vermarktet Evonik somit zukünftig die komplette Problemlösung als Paket – bestehend aus Produkt, Technologie und Know-how.

Blick in einen gläsernen Pflanzkasten, in dem die Wurzeln einer Pflanze zu sehen sind.

Nachhaltigkeit auf dem Teller

Mit dieser Paketlösung bedient Evonik zudem einen wichtigen Trend in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Anbauformen müssen nachhaltiger werden, sich an veränderte klimatische Bedingungen anpassen und zugleich hohe Anforderungen der Verbraucher erfüllen. Im konventionellen Anbau sind große Flächen nötig, viel Wasser, viel Dünger und in der Regel Pestizide. Bioanbau gilt als umweltverträglicher, braucht aber mehr Fläche, weil die Erträge kleiner sind. Weil Konsumenten zudem makelloses Gemüse und volle Produktauswahl übers ganze Jahr erwarten, kommt es zu viel Ausschuss und langen Transportwegen. Aus Süd­amerika eingeflogener Spargel belastet das Klima, aber das tut auch jeder lokal produzierte Salatkopf, der schlapp im Abfall landet.

Eine mögliche Lösung verspricht CEA – Controlled Environment Agriculture. Zu dieser Landwirtschaft in kon­trollierter Umgebung gehören hochtechnisierte Gewächshäuser wie das am Bodensee, in denen Nährstoffe, Bewässerung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und vieles mehr möglichst perfekt auf die Bedürfnisse der Gewächse wie Salat, Tomate, Paprika oder Aubergine abgestimmt werden. Oft kommt CEA sogar ohne Erde aus, weil Nährlösung die Wurzeln der Pflanzen direkt umspült. Statt der Sonne liefern LEDs das Licht – und zwar immer in den für jeden Wachstumszyklus optimalen Wellenlängen. Im Vertical Farming wachsen die Pflanzen gleich platzsparend auf mehreren Eben übereinander.

Drei Männer stehen vor einem grauen Kasten, in dem die tTechnik installiert ist.

Die mit 31.000 Quadratmetern derzeit größte Vertical Farm der Welt befindet sich in Dubai, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. In riesigen Regalen gedeiht dort rund ums Jahr Salat und anderes Blatt­gemüse, während draußen die Sonne über der Wüste brütet. Die Emirate importieren bislang rund 90 Prozent ihrer Lebensmittel. Lokal produziertes Gemüse könnte da – trotz des hohen Aufwands im Vertical Farming – eine nachhaltigere Ergänzung sein. Mehr und größere Vertical Farms sind schon in Planung, und in zahlreichen ist die Ausstattung von Siemens verbaut. „Aber kürzere Transportwege bräuchte es auch in unseren Ballungsräumen hier in Europa“, sagt FZJ-Leiter Schurr. Vertical Farming sei eine Chance speziell für den Strukturwandel in rheinischen Revier. Und auch dort werde Wasserknappheit zum Thema.

Smarte Gegenwehr

Vertical Farms können 95 und mehr Prozent Wasser einsparen. Es versickert schließlich nichts, und jeder verdunstete Tropfen wird in den Kreislauf zurückgeführt. Die Farm in Dubai spart so pro Jahr rund 250 Millionen Liter Wasser im Vergleich zu konventionellem Anbau. „Diese Kreisläufe sind hocheffizient, führen aber auch dazu, dass praktisch jede Wurzel vom selben Wasser umspült wird“, erklärt Marx. „So übertragen sich im schlimmsten Fall schädliche Keime schnell über die gesamte Anbaufläche.“

Diese Sorge ein für allemal los zu sein – durch garantierte Keimvermeidung praktisch im Abo und digital per Knopfdruck –, diese Vorstellung gefällt auch Tobias Jörg. Bislang wird in Singen der Wasserkreislauf mit UV-Licht und in Eigenregie desinfiziert. Aber die Anlage kommt langsam in die Jahre. Und schon gar nicht lernt sie von sich aus dazu. „Gleichzeitig haben wir es heute mit immer neuen und immer widerstandsfähigeren Krankheitserregern aus aller Welt zu tun“, sagt Jörg. Das Jordanvirus etwa, das der Tomatenbauer fürchtet, wurde 2018 zum ersten Mal in Deutschland nachgewiesen. Höchste Zeit also für eine smarte Gegenwehr, die präventiv arbeitet, auf Pflanzen, Prozesse, Anbauparameter und die tatsächliche Keimbelastung abgestimmt ist – und dank Digitalisierung, Big Data und künstlicher Intelligenz auch fit für kommende Herausforderungen ist.

Eine junge Pflanze in einem Kunststofftopf. Darin endet ein Schlaucgh der Tröpfchenbewässerung.