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Gutes drin, gutes drum

Ressourceneffizienz Ernährung Anorganische Stoffe
Lesedauer 5 min
22. November 2019

Von jedem Kilogramm erzeugter Lebensmittel wird ein Drittel weggeworfen oder geht verloren. Lacke und Additive in Verpackungen helfen, Lebensmittelverlust und -verschwendung einzudämmen.

Bernd Kaltwaßer
Autor Bernd Kaltwaßer

Promovierter Biologe und Redakteur der ELEMENTS

Die Zahl macht betroffen: 1.500.000.000.000.000 – 1,5 Billiarden – Kilokalorien gehen jedes Jahr zwischen Feld und Gabel verloren. Rein rechnerisch genügend Energie, um zwei Milliarden zusätzliche Erdbewohner zu ernähren. Weltweit summiert sich der wirtschaftliche Schaden durch Lebensmittelverluste und Verschwendung auf fast eine Billion US-$ pro Jahr. Der sorglose Umgang mit Nahrung trägt zu Hunger und Mangelversorgung in Entwicklungsländern bei, beschleunigt den Land- und Wasserverbrauch. Wäre der Verlust von Nahrungsmitteln ein Land, stünde es auf Rang 3 der größten Treibhausgasemittenten.

Wo genau die Lebensmittel verloren gehen, unterscheidet sich je nach Weltregion: In den Vereinigten Staaten verschwendet die durchschnittliche Familie von vier Personen jährlich Lebensmittel im Wert von etwa 1.500 $ – vor allem weil zu viel eingekauft wird, was am Ende nicht verbraucht wird. In Ländern wie Nigeria und Benin hingegen verrotten jedes Jahr mehrere Hunderttausend Tonnen Feldfrüchte auf dem Acker, weil die Ernte nicht rechtzeitig eingebracht oder verarbeitet wurde. Der Schaden in der Region Subsahara-Afrika beträgt jedes Jahr mehr als vier Milliarden US-$.

So unterschiedlich wie die Ursachen für Lebensmittelverlust und -verschwendung sind auch die Lösungsansätze: In Afrika scheinen bessere Erntemethoden und der Ausbau der Infrastruktur aussichtsreich, während in Europa und Nordamerika vor allem die Sensibilisierung der Haushalte für die Konsequenzen ihres Kaufverhaltens Erfolge verspricht. Moderne Kunststoffe können ebenfalls einen positiven Beitrag leisten, und zwar auf allen Ebenen der Lebensmittelwirtschaft – vom Erzeuger bis zum Verbraucher.

GEWÄCHSHAUSFOLIEN: ADDITIVE FÜR EIN OPTIMALES KLIMA

Beim Anbau helfen Gewächshausfolien, stabile Erträge in guter Qualität zu sichern. „Solche Folien sind zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel in der Landwirtschaft geworden“, sagt Uwe Kinzlinger, Anwendungstechniker im Geschäftsgebiet Silica von Evonik. „Sie erzeugen ein optimales Klima, sodass Pflanzen ganzjährig angebaut und frisch geerntet werden können.“ Damit sie ihre Funktion bestmöglich erfüllen, werden den Gewächshausfolien häufig Additive zugesetzt, mit denen sich spezifische Eigenschaften steuern lassen.

„Werden bei der Herstellung wenige Prozent Aluminiumsilikat zugefügt, kann die Folie Wärme besser zurückhalten. Das ermöglicht eine höhere Temperatur innerhalb des Gewächshauses“, erklärt Kinzlinger. Die Lichtdurchlässigkeit verändert sich durch das Additiv nicht. Streuung und Trübung nehmen hingegen in gewissem Umfang zu – ein je nach klimatischen Bedingungen und Standort durchaus gewünschter Effekt, werden doch so alle Teile der Pflanze ausgewogen mit Sonnenlicht beschienen.

Gerade bei starker, direkter Sonneneinstrahlung können Pflanzen im Gewächshaus Schaden nehmen, vor allem wenn Wassertropfen, die sich als Tau an der Innenseite der Folie abgesetzt haben, die Strahlen wie in einem Brennglas bündeln. Steigt die Temperatur dadurch zu sehr an, entstehen Sonnenbrand und Hitzeschäden: Blätter verfärben sich, Früchte faulen, Jungpflanzen sterben ab. Um dies zu vermeiden, können in die Gewächshausfolie Additive auf Tensidbasis eingearbeitet werden. Sie senken die Oberflächenspannung. Statt einzelner Tröpfchen bildet sich so ein feiner Wasserfilm auf der Innenseite, der das Sonnenlicht gleichmäßig streut.

FOLIENVERPACKUNGEN: FRISCHE DURCH VERMEIDUNG VON KONDENSWASSER

Je länger Produktions- und Lieferketten werden, desto größer wird die Bedeutung von Kunststofffolien als Verpackung für eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln. „Die Debatte um Einwegprodukte aus Plastik wird sehr emotional geführt. Da gerät manchmal aus dem Blick, dass Kunststoffe einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Qualität eines Lebensmittels zu schützen und seine Haltbarkeit zu verlängern“, sagt Pavel Belik, Leiter des Produktsegments Compounding in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. So ist unverpacktes Fleisch nach etwa vier Tagen verdorben. Vakuumverpackt hält es sich hingegen bis zu 30 Tage.

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Additive verbessern die Eigenschaften von Treibhausfolien und sorgen so für einen optimalen Wuchs der Pflanzen.

Auf dem Weg in den Supermarkt und von dort in den Kühlschrank bietet die richtige Verpackung gerade in entwickelten Regionen einen wichtigen Hebel, um der Verschwendung einzudämmen. Die Antifogging-Additive aus der Gewächshausfolie können auch hier zum Einsatz kommen. Varianten, die für den Lebensmittelkontakt zugelassen sind, sorgen dafür, dass sich im Innern der Verpackung nur kleine Wassertropfen bilden, die leicht verdunsten können. Das verhindert die Entstehung von Kondenswasser und damit den Verderb des Packungsinhalts. „Damit wird das hygienische Handling sowie der Transport vieler Lebensmittel überhaupt erst möglich“, sagt Belik.

AKTIVE VERPACKUNGEN: KEINE CHANCE FÜR SAUERSTOFF

Klassische Verpackungen sind lediglich passive Hüllen, die Nahrungsmittel als nicht oder wenig reaktive Barriere vor Umwelteinflüssen schützen. Aktive Verpackungen dagegen schaffen in ihrem Innern eine schützende Umgebung und halten so den Inhalt frisch. Bestimmte Produkte wie Fleisch- und Wurstwaren, Nüsse oder Getränke reagieren empfindlich auf Sauerstoff, der selbst in eingeschweißten Verpackungen in Restmengen vorhanden ist. Durch die Reaktion mit Sauerstoff verlieren Vitamine dann ihre gesundheitsfördernde Wirkung, Fette werden ranzig. Zudem ermöglicht der Sauerstoff das Wachstum von Bakterien und Schimmelpilzen.

Schon heute werden daher viele Lebensmittel unter Schutzatmosphäre verpackt, um den Sauerstoffgehalt niedrig zu halten. Vor allem in Nordamerika und Japan nutzen Hersteller kleine, mit Eisenverbindungen gefüllte Beutel, die den Sauerstoffgehalt in der Verpackung weiter senken. Dem Verfahren sind jedoch Grenzen gesetzt: Es funktioniert beispielsweise nicht bei sehr trockenen Produkten. Zudem verwechseln Verbraucher den Beutelinhalt gelegentlich mit einer Kräutermischung und verzehren ihn versehentlich. Andere Sauerstoffabsorber können zwar das Produkt schützen, verfärben sich aber im Lauf der Zeit unansehnlich gelb.

„Wir haben einen Sauerstoffabsorber auf Polymerbasis entwickelt, der direkt in das Verpackungsmaterial eingearbeitet werden kann, die verbliebenen Sauerstoffmoleküle einfängt und dabei transparent bleibt“, sagt Pedro Vazquez Toran, bei Evonik für das Geschäft mit aktiven Verpackungen zuständig. In den vergangenen drei Jahren ist das Visparent genannte Additiv bis zur Zulassung durch die amerikanische Lebensmittelüberwachungsbehörde FDA gebracht worden. Erste Gespräche mit potenziellen Kunden und Verarbeitern wurden bereits geführt.

DOSENINNENBESCHICHTUNG: LACK FÜR LANGE HALTBARKEIT

Neben Folienverpackungen gehören Konservendosen zu den wichtigsten Verpackungsformen. Die genutzten Feinblechqualitäten sind leicht, nicht zerbrechlich und bieten einen hermetischen Schutz vor äußeren Einflüssen. Dadurch ist für viele Lebensmittel eine Haltbarkeit von mehreren Jahren möglich. Auch bei der Wiederverwertung liegt die Metalldose vorn: Die Recyclingquote liegt bei mehr als 90 Prozent und ist damit eine der höchsten im Verpackungsbereich. Der Metallschrott wird gepresst und eingeschmolzen. Lacke, Farben und andere Zusätze verbrennen dabei, und aus der Dose entsteht Rohmetall zum Wiedereinsatz im Kreislauf.

Damit gegenüber dem Metall aggressive, zum Beispiel saure Lebensmittel in der Dose lange genießbar bleiben, müssen die Behälter innen beschichtet werden. Eine hauchdünne Lackschicht verhindert, dass der Inhalt das Blech angreift und Metall-Ionen ins Essen gelangen. Lediglich acht bis zehn Gramm Lack pro Quadratmeter reichen aus, das entspricht – je nach Größe – nur etwa drei Gramm je Dose.

„Die Herausforderung bei der Formulierung der Lacke liegt in der Art der Dosenproduktion“, sagt Thorsten Brand, Anwendungstechniker im Geschäftsgebiet Coating & Adhesive Resins von Evonik. Die Lacke werden zunächst auf flache Metallbänder oder Blechtafeln aufgetragen und im Ofen gehärtet. Erst anschließend werden aus den so beschichteten Blechen Dosenkörper und Deckel geformt. „Der Lack muss dazu ausreichend flexibel sein. Andernfalls reißt er und platzt ab“, sagt Brand. Nach dem Abfüllprozess wartet auf die Dose die nächste Belastungsprobe: die Sterilisation. Damit die Lebensmittel länger haltbar bleiben, werden die Dosen bei einer Temperatur von 130 Grad Celsius und dem dabei entstehenden Druck in der Sterilisationskammer behandelt. Erst wenn die Lackschichten auch diesen Schritt unbeschadet überstanden haben, sind die Behälter bereit für den Verkauf. Hochpolymere Polyester und Vernetzer sorgen dafür, dass der Lack flexibel ist und trotzdem gute Beständigkeit aufweist. So überstehen die Dosen sowohl die mechanische Umformung als auch die anschließende Heißsterilisation.

Nahrung länger frisch zu halten ist entscheidend für eine effiziente Ernährungswirtschaft. Ein Drittel aller Lebensmittel zu verschwenden und zu verlieren kann sich die Welt schon heute nicht mehr leisten. In Zukunft noch weniger: Um im Jahr 2050 rund zehn Milliarden Menschen zu ernähren, müssten jährlich sechs Billiarden Kilokalorien mehr zur Verfügung stehen. Gelänge es, die weltweite Lebensmittelverschwendung bis dahin zu halbieren, so wäre schon ein Teil dieser Lücke geschlossen – und das ohne jede zusätzliche Belastung der Böden und ohne Einschränkungen im Konsum.

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Schichtarbeit: Modernen Verpackungen sieht man nicht an, dass im Material Hightech zum Einsatz kommt. Additive (in Folien) und Lacke (in Dosen) sorgen für einen wirksamen Schutz der Lebensmittel – und eine längere Haltbarkeit.
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Aufbau Dose