Was ist dort am Himmel? Ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein, ein Pizza-Taxi! Diese Szene könnte bald schon Realität werden: Regierungen und Unternehmen sind dabei, den bodennahen Luftraum wirtschaftlich zu erschließen. Die Entstehung einer „Low-altitude Economy“ ist im vollen Gange. Der Begriff bezeichnet Aktivitäten im Luftraum bis zu einer Höhe von 1.000 Metern für Logistik-, Tourismus- und Agrarzwecke. Meist geht es um elektrisch betriebene, unbemannte Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicles/UAV).
Möglich wird die Erschließung dieses Wirtschaftsraums durch innovative Akkus mit sehr hoher Energiedichte, günstige und leistungsfähige Sensoren sowie robuste Leichtbaumaterialien. Chinas Regierung sieht in der Low-altitude Economy einen bislang unerschlossenen Wirtschaftszweig, den es schnell zu besetzen gilt – schließlich hat man durch die Expertise in der E-Mobilität einen Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt.
Kürzlich bezeichnete Premierminister Li Qiang die Low-altitude Economy als einen der wichtigsten Wachstumsmotoren für die chinesische Wirtschaft. Peking unterstützt Forschung und Entwicklung des neuen Industriezweigs finanziell wie regulatorisch. In vielen Provinzen des Landes wurden sogenannte Demonstrationszonen eingerichtet, in denen die neue Art des Lufttransports erprobt wird.
So plant die Provinz Shenzen, 2025 mehr als 600 neue Start- und Landeplätze für elektrisch betriebene Senkrechtstarter und andere unbemannte Luftfahrzeuge einzurichten.
Die Projekte sind ambitioniert: Das chinesische Startup Air White Whale etwa präsentierte kürzlich die weltweit größte Frachtdrohne. Das Modell W5000, das einem Flugzeug gleicht, kann ohne Piloten eine Last von bis zu fünf Tonnen mehr als 2.000 Kilometer weit transportieren. Jetzt hofft das Unternehmen, eine Zulassung für die Drohne zu erhalten, damit sie 2026 abheben kann.
Jobs an der Fernsteuerung
Auch andere Nationen haben die Potenziale erkannt: So wird geschätzt, dass das globale Marktvolumen für kommerzielle UAVs von circa 35 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 auf circa 58 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 steigen könnte.
Die Low-altitude Economy könnte zahlreiche neue Jobs schaffen. In China mangelt es bereits an Drohnenpiloten, in den USA lassen sich tausende Menschen für die Fernsteuerung der Fluggeräte umschulen. Die Vereinigten Staaten wollen sich bei der Erschließung des boomenden Markts nicht von China abhängen lassen.
So ist bereits die staatliche Weltraumagentur NASA beauftragt, ein System zur Steuerung des bodennahen Luftverkehrs (Advanced Air Mobility/AAM) zu entwickeln.
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Europa zieht ebenfalls mit: Im englischen Coventry wurde bereits 2022 der weltweit erste vollfunktionsfähige Vertiport, ein Flughafen für Senkrechtstarter, eröffnet. In Deutschland nahm Mitte 2024 in Hamburg ein Drohnenflughafen den Testbetrieb auf. Bis 2026 wird hier Im Rahmen des EU-Projekts BLU-Space erprobt, wie man die Fluggeräte in den städtischen Verkehr integrieren kann. Manch kommerzieller Anbieter hat allerdings derzeit zu kämpfen, weil er auf eine schnellere kommerzielle Verbreitung gesetzt hat oder technische Hürden auftraten.
Damit der völlig neue Wirtschaftszweig Realität werden kann, benötigt es noch jede Menge Innovationen und neue Materialien. Ein guter Grund für das Foresight Team der Creavis, diese Bedürfnisse im Rahmen des Projekts GameChangers 2035 genauer zu analysieren. Denn womöglich dauert es nicht mehr lange, bis wir Pizza oder Sushi direkt ans Fenster statt an die Tür geliefert bekommen.