3D-Druck entwickelt sich vom Nischenverfahren zur Fertigungstechnik für Großserien. Evonik liefert für alle wichtigen Technologien passgenaue Materialien und treibt die Entwicklung von Druckern der nächsten Generation voran.
Objekt 3D-0426 war ein Fehlschlag, ganz klar: ein fusseliges, weiß-graues Gebilde mit ausgefransten Kanten. Was das mal werden sollte, ist schwer zu erraten. Dagegen sein Nachbar 3D-0308: ein Prachtexemplar! Eine Kugel, so glatt und sauber, als wartete sie nur auf ihren Einsatz auf dem Billardtisch. Kryptisch beschriftete Tüten, gefüllt mit filigranen kleinen Skulpturen, Klötzen und Kugeln füllen ein komplettes Regal in dem Laborraum von Evonik im Chemiepark Marl.
Daneben rauschen die schrankgroßen 3D-Drucker, deren Pulverkartuschen all diese Teile hervorgebracht haben. Die Stücke sind das Ergebnis von Testläufen, bei denen Druckparameter ausgelotet, neue Formulierungen erprobt oder Eigenschaften einer Materialcharge geprüft werden. Dafür werden wieder und wieder die gleichen standardisierten Objekte gedruckt und danach standardisierten Belastungstests ausgesetzt. Ohne solche aufwendigen Qualitätsprüfungen würde sich kein Unternehmen darauf einlassen, seine Produkte mittels additiver Fertigung, wie Fachleute den 3D-Druck nennen, herzustellen.
Die Zukunft der additiven Fertigung wird zu einem erheblichen Teil in diesem unscheinbaren Laborraum mitgestaltet. „Wir fragen Unternehmen: Woran arbeitet ihr? Welche Materialien braucht ihr in fünf Jahren?“, berichtet Sylvia Monsheimer, die bei Evonik das Marktsegment für neue 3D-Technologien verantwortet. „Und mit den passenden Materialien sorgen wir dafür, dass neue Drucktechnologien in den Markt kommen.“
EINE TECHNOLOGIE – VIELE MÖGLICHKEITEN
Monsheimer ist viel unterwegs als Botschafterin für den 3D-Druck mit exzellentem Netzwerk – bei Technikern und Ingenieuren ebenso wie in den Vorstandsetagen namhafter Unternehmen. Sie will das Bewusstsein dafür wecken, wie additive Fertigung Geschäftsmodelle umkrempeln könnte. Was, wenn man neue Fertigungsideen einfach auf die Schnelle selbst ausprobieren könnte? Wenn man beim Entwurf von Bauteilen nicht mehr auf die Grenzen einer Gussform Rücksicht nehmen müsste? Oder wenn man auf einmal Kleinserien produzieren könnte, für die andere Verfahren zu teuer wären? Monsheimer erzählt von einem Besuch in einer Textilfabrik, die Maschinen schneller für neue Stoffe und Muster umrüsten möchte: „Mit gedruckten Teilen ist das möglich.“
Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Monsheimer mit 3D-Druck, aber noch nie, so sagt sie, habe sie so eine Kreativität und Euphorie erlebt wie in den vergangenen drei Jahren: „Lange hat eine Handvoll Platzhirsche den Markt dominiert. Nachdem zwischen 2010 und 2017 etliche Basispatente ausgelaufen sind, kommen nun viele Weiterentwicklungen dieser Technologien auf den Markt. Das belebt die Szene.“ Mit mehreren dieser Innovatoren arbeitet Evonik zusammen. Die jüngsten Beteiligungen und Kooperationen in Israel, China, den USA und Österreich dienen einem Ziel: die additive Fertigung reif für die Großserienproduktion zu machen.
Unaufhaltsam macht sich 3D-Druck in der Industrie breit. Zum Beispiel in der Automobilbranche, wo Start-ups wie das US-Unternehmen Local Motors von sich reden machen. Dessen autonomer elektrischer Shuttlebus „Olli“ besteht zu 80 Prozent aus gedruckten Bauteilen. Sie entstehen in garagengroßen Druckern, die im Prinzip wie das 200-€-Gerät aus dem Elektronikmarkt funktionieren: Ein Kunststoff-Filament von der Spule wird erhitzt und Schicht für Schicht aufgetragen. Diese Technik heißt Fused Deposition Modeling (FDM). Sie ist robust, beim Druckprozess entsteht kein Staub, und das Ergebnis von Profigeräten ist so präzise, dass damit medizinische Implantate oder Abbilder von Organen gedruckt werden können, anhand derer Chirurgen komplizierte Operationen planen.
An einem der Technologieführer auf diesem Feld hat sich die Venture-Capital-Sparte von Evonik kürzlich beteiligt: Das chinesische Start-up Meditool arbeitet mit medizinisch zugelassenem PEEK-Material von Evonik, zu den Erzeugnissen gehören Schädelimplantate und künstliche Bandscheiben (siehe Überblick Seite 14). Den Materialentwicklern von Evonik verschaffen solche Partnerschaften einen Einblick in die Ideenpipeline der Branchenvordenker. Der Austausch über neue Fertigungsverfahren gibt Aufschluss darüber, wie die Druckmaterialien von morgen beschaffen sein müssen.
In die Werkshallen der Autobauer haben 3D-Drucker Einzug gehalten. Darunter sind FDM-Plotter des niederländischen Start-ups Ultimaker, deren erster Selbstbauapparat 2011 für Aufsehen sorgte und den Hype um den 3D-Druck beförderte. Heute richtet sich das Unternehmen vor allem an professionelle Anwender; VW entwickelt und produziert mit Ultimaker-Druckern Werkzeuge und Montagehilfen in seiner Fabrik in Portugal. Die Entwicklungskosten sind um 91 Prozent gesunken, die Zeitersparnis beträgt sogar 95 Prozent.
3D-DRUCK FÜR DIE MASSE
Was die FDM-Maschinen nicht produzieren: Bauteile in Großserie. Zu langsam ist selbst bei Hochleistungsdruckern das Verfahren, bei dem die Bauformen Bahn für Bahn abgefahren werden. „Für große Stückzahlen kommt in absehbarer Zeit nur die additive Fertigung mit Pulver infrage“, sagt Thomas Grosse-Puppendahl, der bei Evonik das globale Geschäft rund um den 3D-Druck verantwortet. Polymerpulver wird dabei Schicht für Schicht aufgetragen, an den entscheidenden Stellen erhitzt und dadurch verschmolzen. Meist geschieht dies mithilfe eines Lasers, doch neue Verfahren versprechen noch mehr Tempo. Meist arbeiten sie mit Polymerpulvern von Evonik.
Zum Beispiel die grauen Maschinen von HP, die hier im Marler Technikum neben dem Probenregal ihre Testläufe fahren. Der Druckerhersteller, den man sonst aus dem Büro oder dem Homeoffice kennt, hat sein Know-how aus dem Tintenstrahldrucker-Bereich auf die additive Fertigung übertragen: Die Konturen des Bauteils werden mit schwarzer Tinte auf eine Lage Polymerpulver aufgetragen, dann gehen die Wärmelampen an. Die schwarzen Stellen erhitzen sich schneller, verschmelzen, die nächste Pulverschicht wird aufgetragen, wieder Tintenstrahldruck, wieder Hitze, wieder und wieder, bis am Ende ein schwarzgraues Bauteil aus einem Pulverbett gehoben und unter einer Abzugshaube sauber gepustet wird.
Multi-Jet Fusion (MJF) heißt diese Technologie, die zum Beispiel BMW bereits in der Produktion einsetzt. 2010 begannen die Münchner mit kunststoff- und metallbasierten Verfahren zunächst in kleinen Serien. Mittlerweile hat BMW nach eigenen Angaben mehr als eine Million Bauteile mittels additiver Fertigung produziert, darunter Lichtleiterhalterungen für den Rolls-Royce Dawn oder Fensterführungsschienen für den i8 Roadster. Für den Mini produziert der Konzern mittels 3D-Druck individualisierte Dekoeinlagen im Armaturenbrett und an der Karosserie.
Noch werden vor allem Zierelemente oder für den Autokäufer unsichtbare Kleinteile gedruckt. Doch jede neue Anwendung muss sich erst einmal in weniger kritischen Bereichen beweisen. Vor allem gegenüber dem etablierten Spritzguss, der sich im Laufe vieler Jahre entwickeln konnte. Die Vorteile des 3D-Drucks liegen in der Designfreiheit und eröffnen Forschern und Ingenieuren völlig neue Möglichkeiten in Richtung Leichtbau oder neue Funktionalitäten. „Für den 3D-Druck konstruieren wir die Teile ganz neu, damit sie am Ende die gewünschten Eigenschaften haben“, erklärt Grosse-Puppendahl.
Diesen Prozess erleichtert einer der neuen Evonik-Partner, das israelische Start-up Castor (siehe Überblick Seite 15): Die Software des Unternehmens führt eine umfassende technische und wirtschaftliche Analyse durch. So lässt sich ermitteln, ab wann Additive Manufacturing gegenüber traditionellen Herstellungsmethoden wirtschaftlich ist.
Die wichtigsten Verfahren
Wird ein Bauteil für den 3D-Druck neu erfunden,hat es mit dem Original oft nicht mehr viel zu tun. Wo ein Spritzgussteil massiv und schwer sein muss, um großen Belastungen standzuhalten, kann das gleichwertige gedruckte Bauteil eine scheinbar filigrane Konstruktion aus Bogen, Streben und Waben aufweisen. Die Kräfte hält es genauso aus, bei einem Bruchteil des Gewichts. Und so bietet selbst ein so schlichtes Teil wie die Fensterführungsschiene eines Roadsters einen Ausblick darauf, wie in Zukunft komplette Autos gebaut werden könnten.
Die Gewichtsersparnis macht die additive Fertigung interessant für den Flugzeugbau, wo jedes Gramm zählt und die Nachfrage nach sparsameren, weniger klimaschädlichen Maschinen steigt. Auch hier wirken die Innovationen zunächst unscheinbar: Die US-Luftwaffe etwa nutzt 3D-Druck, um Ersatzteile für ihre Jets nachzuproduzieren – eine Nachricht war es Fachkreisen wert, dass man einen Toilettensitz dank Wabenstruktur sehr viel leichter und doch robust hinbekommen habe. Funktionskritischer sind die Bauteile, die die Flugzeugbauer Boeing und Airbus entwickeln: Erste Flügel- und Motorenkomponenten werden schon aus Metallpulvern gefertigt, der Kunststoff-3D-Druck breitet sich in der Kabinenausstattung aus. Auch hier wäre es oft zu teuer, Spritzgussformen anzufertigen, etwa wenn eine Airlineflotte modernisiert wird. Dann kommen Spezialisten wie das belgische Unternehmen Materialise ins Spiel, die beispielsweise Bauteile für Airbus aus Hochleistungskunststoffen drucken.
LEISTUNGSSCHAU DES 3D-DRUCKS
Um auf größere Produktionsmengen zu kommen, sagt Grosse-Puppendahl, muss die additive Fertigung vor allem eines werden: schneller. „Für die Automobilindustrie wird es spannend, wenn wir Stückzahlen im fünf- oder sechsstelligen Bereich schaffen.“ Die neue Partnerschaft von Evonik mit dem US-Start-up Evolve könnte dazu vielleicht der Schlüssel sein. Ihr STEP genanntes Verfahren funktioniert im Prinzip wie ein Laserdrucker und erzielt dadurch ganz andere Geschwindigkeiten.
„Bei den üblichen pulverbasierten Verfahren haben Sie immer einen Laser oder einen Druckkopf, der auf dem Pulverbett die Druckform nachzeichnet“, erklärt Wolfgang Diekmann, der das 3D-Druck-Labor in Marl leitet. „Beim STEP-Verfahren bedient man sich der Digitaldrucktechnologie. Mit sehr hoher Geschwindigkeit wird das Material auf eine Trommel aufgebracht und von dieser abgelegt. Und weil das Pulver sehr fein ist, hat das Bauteil eine höhere Auflösung.“
Evonik bringt seine jahrzehntelange Materialerfahrung in die Partnerschaft ein – eine Win-win-Situation, sagt Monsheimer: „Wir können neues Material entwickeln, wenn wir eine Maschine haben, auf der wir testen können. Die anderen können eine neue Maschine entwickeln, wenn sie gutes Material haben.“ Und so bietet das Technikum in Marl eine Leistungsschau der internationalen 3D-Drucker-Szene. Neben Maschinen von HP oder 3D Systems stehen hier Geräte der deutschen Marktführer EOS und Voxeljet, des Schweizer Unternehmens Sintratec sowie des chinesischen Herstellers TPM. Die Apparate werden intensiv gefordert, wie ein Drucker mit offen liegendem Innenleben belegt, den Monsheimer inspiziert. „Wir fragen uns eben nicht nur: Welche Materialien können wir für bestehende Technologien entwickeln? Sondern auch: Wie könnte man die bestehenden Technologien noch besser machen?“
Dank dieser Herangehensweise hat Evonik – quasi nebenbei – mehrere eigene 3D-Druck-Technologien entwickelt, für die das Unternehmen Lizenzen vergibt. „Wir haben hier mit Varianten des High-Speed Sintering experimentiert“, sagt Monsheimer. Bei diesem Verfahren wird das Pulver nicht direkt mit einem Laser geschmolzen. Stattdessen trägt man an den gewünschten Stellen einen Absorber auf und fährt dann mit einer Wärmequelle darüber – ähnlich wie bei Multi-Jet Fusion.
NEUE EIGENSCHAFTEN DURCH ADDITIVE
Das tiefe Verständnis hilft bei der Entwicklung neuer Pulver für die verschiedenen Druckverfahren, sagt Innovationsmanager Diekmann. „Je nach Anforderungen brauchen wir für ein neues Material zwischen sechs Monaten und zwei bis drei Jahren – manchmal auch mehr.“ Dabei ist Polyamid 12 (PA12), das in unzähligen Anwendungen zum Einsatz kommt, oftmals die Basis, der die Materialentwickler von Evonik mithilfe von Additiven neue Eigenschaften verleihen. „Flammschutzmittel machen es beispielsweise tauglich für Anwendungen in der Elektroindustrie oder für Bauteile in der Luft- und Raumfahrt“, sagt Diekmann. „Und wenn das Material besonders stabil sein soll, arbeiten wir zum Beispiel Glaspartikel ein.“
Auch ganz neue Materialkombinationen entstehen in Marl, im vorigen Jahr erst hat Evonik das Hochleistungspulver PA613 vorgestellt, das die Vorteile lang- und kurzkettiger Polyamide verbindet: Es ist besonders temperaturstabil, fest und doch flexibel – und nimmt zudem wenig Wasser auf. Das in den 80er-Jahren eingeführte thermoplastische Elastomer PEBA (Polyetherblockamid) diente 2018 als Basis für ein Pulver, mit dem Objekte von fast gummiartiger Konsistenz gedruckt werden können.
ES MUSS NICHT IMMER PULVER SEIN
„Weltweit kann keine andere Firma auf so viele verschiedene Pulverherstellungsmethoden zurückgreifen wie Evonik“, sagt Grosse-Puppendahl. Und vieles, was noch nicht geht, soll mit einer neuen Produktionstechnologie möglich werden, die das Unternehmen 2019 eingekauft hat: Das US-Start-up Structured Polymers hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich viel mehr Materialien pulverisieren lassen, als es Evonik bis dahin möglich war. Ein neues Copolyester-Pulver, das erste mit der innovativen Technologie hergestellte Material, ist dafür das beste Beispiel.
Doch auch mit anderen Ausgangsmaterialien setzten sich die Experten auseinander. Start-ups wie das österreichische Unternehmen Cubicure und die Creavis, die strategische Innovationseinheit von Evonik, arbeiten nicht nur an pulverbasierten Verfahren, sondern auch an Drucktechniken, bei denen das Werkstück aus einem flüssigen Photopolymer gezogen wird. Lichtquellen, zum Beispiel Laser, härten das lichtempfindliche Material an den gewünschten Stellen aus. Die Präzision, sagt Cubicure-CEO Robert Gmeiner, sei unschlagbar: „Die Auflösung wird nur über die Lichtmaske definiert, die sich sehr fein einstellen lässt.“ Zugleich ist nach der Fertigung nur zehn Prozent des Ausgangsmaterials nicht mehr für weitere Drucke nutzbar. „Da müssen die pulverbasierten Verfahren erst einmal hinkommen.“
Auch andere SLA-Druckhersteller arbeiten bei der Entwicklung neuer Materialien mit den Evonik-Spezialisten zusammen. Erst im vergangenen Jahr hat Evonik einen neuen Forschungshub in Singapur eröffnet, wo sich Formulierungspezialisten mit der Entwicklung von Photopolymeren der nächsten Generation beschäftigen. „Es gibt noch sehr viel unbekanntes Terrain bei den Polymeren“, sagt Monsheimer. Doch genau das macht für sie und Wolfgang Diekmann den Reiz ihrer Arbeit aus: „Seit ich hier angefangen habe, wollte ich immer weg vom Prinzip ‚eine Firma – ein Verfahren‘. Dass es jetzt genau so kommt, freut mich sehr.“
Futuristisches Quartett
Neue Technologien erfordern neue Kooperationsmodelle. Beim 3D-Druck tut sich Evonik weltweit mit Firmen zusammen, um zukunftsträchtige Einsatzfelder zu erkunden. Vier Beispiele:
MEDITOOL: Künstliche Knochen
Künstliche Schädelteile, Gelenke, Knochenpartien: „Nirgendwo kommen die Möglichkeiten des 3D-Drucks so zur Geltung wie in der Medizintechnik“, sagt Marc Knebel, der in der Hochleistungspolymer-Sparte von Evonik das Medizingeschäft leitet. „Hier entsteht für jeden einzelnen Patienten ein individuelles Produkt.“ 2019 ist Evonik als Lead Investor bei einem der aussichtsreichsten Start-ups in diesem Sektor eingestiegen: dem chinesischen 3D-Druck-Spezialisten Meditool. Das Unternehmen aus Schanghai druckt Schädel-, Gesichts- und Kieferimplantate aus Peek, einem Hochleistungskunststoff, den Evonik unter dem Markennamen Vestakeep als erster Hersteller in medizinischer Qualität auf den Markt gebracht hat. Langfristig will Meditool in einem noch anspruchsvolleren Segment wachsen: Implantate für die Wirbelsäulenchirurgie. Eines der ersten Produkte sind sogenannte Cages, künstliche Bandscheiben, die mit dem Körpergewebe verwachsen. Evonik und Meditool wollen nun gemeinsam ausloten, wie sich Forschung und klinische Praxis entwickeln. „Meditool bietet eine einzigartige Kombination aus technischer Kompetenz und klinischem Fachwissen“, sagt Knebel. „Und wir können das Unternehmen dabei unterstützen, seinen globalen Footprint zu vergrößern.“
Reine Kopfsache: Vestakeep-Filamente werden heute bereits in Schädel-, Gesichts- und Kieferimplantaten verwendet.
CUBICURE: Zäher Stoff
Bereits ein Jahr nach der Gründung von Cubicure fanden 2016 die ersten Gespräche mit der Creavis, der Innovationseinheit von Evonik, statt. Das junge Unternehmen – ein Spin-off der TU Wien – besitzt viel Erfahrung mit einem aussichtsreichen 3D-Druck-Verfahren, das aber noch zahlreiche Herausforderungen bereithält: Bei der Stereolithografie (SLA) entstehen Bauteile aus flüssigem Harz, das auf Licht reagiert. Das Verfahren ist enorm präzise, „aber die klassischen Harze sind spröde, und die fertigen Teile haben meist einen enormen Verzug“, erklärt CEO Robert Gmeiner. Das Problem: SLA-Verfahren arbeiten mit dünnflüssigem Material. „Besser wären hochviskose Harze und Pasten, die sich aber bislang nur schwer verarbeiten lassen.“ Das von Cubicure entwickelte Hot-Lithography-Verfahren ermöglicht die Verarbeitung solch zähflüssiger Materialien mithilfe einer speziellen Temperatursteuerung. Um die Technologie weiter zu verbessern, arbeiten die Österreicher mit Unternehmen zusammen, die bislang Spritzgussverfahren einsetzen. Im Computertomografen zeigt sich, wie stark sich die Technik der klassischen Fertigungsweise angenähert hat. Mit Evonik hat Cubicure gemeinsam Rohstoffe getestet und vielversprechende Kandidaten unter den Reaktiv-Polyestern gefunden. „Seitdem arbeiten wir zusammen in Richtung Produktentwicklung.“
Die Spezialität der Österreicher ist die Hot Lithography, bei der spezielle Harze verarbeitet werden.
CASTOR: Mit anderen Mitteln
Castor unterstützt Unternehmen beim Einstieg in den 3D-Druck. Das israelische Start-up hat ein System entwickelt, das Konstruktionen anhand der zugrunde liegenden CAD-Dateien mittels künstlicher Intelligenz analysiert und Tausende Bauteile gleichzeitig bewertet: Welche Geometrieeigenschaften muss das Teil haben, mit welchem Verfahren und welchem Material könnte man es drucken? Und rechnet sich das? Castor konzentriert sich zunächst auf komplexe Bauteile, die in geringen Stückzahlen gefertigt werden. Zu den Kunden gehören mehrere Fortune-500-Firmen. „Wir helfen Unternehmen, die weit unten hängenden Früchte zu ernten“, sagt Mitgründer und CEO Omer Blaier. „Und wir helfen ihnen dabei, ihre Konstruktionen für den 3D-Druck weiterzuentwickeln.“ So macht das Castor-System Vorschläge, welche nahe beieinanderliegenden Bauteile im 3D-Druck als zusammenhängendes Werkstück gefertigt werden können. Und es empfiehlt dem Kunden Dienstleister, die ihnen bei der Umstellung ihrer Produktion helfen. Grundlegend neue Designs entwirft Castor nicht: „Das bleibt die Arbeit der Ingenieure, wir helfen ihnen nur auf dem Weg.“ Der Einstieg von Evonik als Investor sei eine Win-win-Situation, so Blaier: „Evonik bekommt bessere Einblicke in die Bedürfnisse und Wünsche seiner Kunden – und uns hilft die Expertise von Evonik bei der Verbesserung unserer Software.“
Gießen oder drucken? Castor hilft Unternehmen bei der Entscheidung für das wirtschaftlichste Produktionsverfahren.
EVOLVE: Druckzuck
Alles begann mit einem gebrauchten Digitaldrucker, diskret ersteigert auf Ebay und dann in einer Garage umgebaut: Das US-Start-up Evolve entstand aus einem Entwicklungsprojekt des 3D-Druck-Unternehmens Stratasys, heute zählen Lego und Stanley Black & Decker zu den Investoren. Die Technologie beruht auf dem gleichen Prinzip wie ein Laserdrucker: Ein Bild wird durch elektrische Ladung auf einer Walze aufgebracht. An den geladenen Stellen haftet der Toner, das Bild wird auf ein elektrostatisches Hochgeschwindigkeitsband übertragen und dann auf einen Schichtbindungsmechanismus übertragen. „Wir tragen zunächst Schicht für Schicht auf“, erklärt Rich Allen, Vice President von Evolve, „danach pressen wir die Struktur unter Hitzeeinwirkung zusammen, sodass ein stabiles Teil entsteht.“ Der größte Vorteil des Verfahrens, das bereits vermarktet wird: Es ist schnell, weil eine komplette Schicht in einem Rutsch aufgetragen wird. Und weil die Maschine fünf Druckwerke besitzt, können in einem einzigen Bauteil verschiedene Materialien kombiniert werden. „Wir können zudem eine größere Bandbreite an Materialien einsetzen, und weil die Partikel sehr klein sind, ist die Auflösung höher“, so Allen. Seit 2019 arbeitet Evonik mit Evolve an Materialien für das Verfahren. „Wir haben sehr schnell zusammengefunden“, sagt Allen. „Evonik sieht wie wir das enorme Potenzial für die Massenproduktion.“
Wie im Flug: Die Technik von Evolve ermöglicht es, Kombinationen unterschiedlicher Materialien schnell zu drucken.