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Die neuen Superrechner

Zauberwürfel IBMs Q System One ist der erste schaltkreisbasierte, kommerzielle Quantencomputer der Welt. Das System ist in einem luftdichten Glaswürfel untergebracht.
Lesedauer 5 min
21. Februar 2020

Quantencomputer eröffnen Forschern ungeahnte Möglichkeiten. Erstmals könnte es gelingen, selbst komplexe Moleküle exakt nachzubilden – und völlig neue Materialien zu schaffen.

Björn Theis
Von Björn Theis

Leiter Foresight von Evoniks Innovationseinheit Creavis

Dass wir heute selbst komplexe Rechnungen im Bruchteil einer Sekunde lösen können, verdanken wir zwei britischen Mathematikern – einem Mann und einer Frau. Mitte des 19. Jahrhunderts legten Charles Babbage und Ada Lovelace mit ihrem Konzept der Analytica Engine die theoretische Grundlage für den modernen Computer. Zu ihren Lebzeiten wurde diese Maschine nicht gebaut. Realisiert wurden vergleichbare Rechner rund 100 Jahre später: 1937 präsentierte Konrad Zuse den Computer Z1 – den ersten frei programmierbaren Binärcomputer der Welt. Seither wächst die Leistung unserer Rechner exponentiell. Davon profitiert nicht zuletzt die Wissenschaft. Ohne Computerunterstützung wäre die moderne Forschung heutzutage größtenteils unmöglich.

Doch selbst Supercomputer stoßen an ihre Grenzen, was ihrem binären Arbeitsprinzip geschuldet ist. Unsere Welt besteht eben nicht nur aus Nullen und Einsen. Max Planck verdanken wir die Erkenntnis, dass wir in einer Quantenwelt leben, in der Energie nicht in jeder beliebigen Größe existieren kann, sondern nur in bestimmten Einheiten. Ein Molekül lässt sich quantenphysikalisch mit einem binär arbeitenden Computer nicht exakt simulieren.

MOLEKÜLEN AUF DER SPUR

Richard Feynman war sich dieses Problems bewusst und wies daher 1981 am Massachusetts Institute of Technology darauf hin, dass nur ein Quantencomputer zu solch einer Simulation in der Lage wäre. Anstelle von Bits, der klassischen Informationseinheit binärer Rechner, verwendet der Quantencomputer Qubits. Während ein Bit darauf beschränkt ist, den Wert 0 oder 1 anzunehmen, kann ein Qubit beide Werte annehmen – und weitere dazwischen. Dieses Prinzip ist als Superposition bekannt. Befinden sich Qubits in einem solchen Zustand, können sie miteinander verschränkt werden, sie beginnen zu kommunizieren. Quantenalgorithmen, die Software der Quantencomputer, machen sich dies zunutze, sodass komplexe Aufgaben parallel bearbeitet werden können.

Zum Beispiel bei der Simulation eines Moleküls: Ein Quantencomputer kann die miteinander verflochtenen Zustände der Elektronen des Moleküls analysieren, indem er seine eigenen Quantenbits in superponierte und verschränkte Zustände bringt. Das ermöglicht es, ungewöhnlich große Informationsmengen simultan zu verarbeiten. Ein klassischer Computer muss dagegen die nötigen Rechenschritte nacheinander abarbeiten. Und das kann dauern: Für die exakte Simulation des Hormons Insulin bräuchte ein moderner, binär arbeitender Supercomputer länger als zehn Milliarden Jahre.

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Björn Theis ist Head of Foresight der Evonik-Innovationseinheit Creavis. Seine ELEMENTS-Kolumne erscheint regelmäßig auf elements.evonik.de.

DREI MINUTEN STATT 10.000 JAHRE

Feynmans Gedankenexperiment beginnt nun Wirklichkeit zu werden: 2016 gab der US-Datenkonzern Google bekannt, dass er das Wasserstoffmolekül mithilfe eines Quantencomputers exakt simuliert hat, 2017 simulierte der Computerriese IBM Lithiumhydrid und Berylliumhydrid. Im Oktober 2019 verkündete Google nun, man habe „Quantum Supremacy“ erreicht: Googles Rechner, ausgestattet mit einem Chip, auf dem 53 Qubits arbeiten, führte in gut drei Minuten eine Berechnung durch, für die ein klassischer Computer 10.000 Jahre benötigt hätte.

Internetkonzerne wie Alibaba, Google, IBM, Intel, Microsoft oder Rigetti investieren ebenso wie staatliche Forschungseinrichtungen Milliarden in die Entwicklung von Quantencomputern, versprechen die Wunderrechner doch Durchbrüche bei der Entwicklung neuer Katalysatoren, Medikamente und Materialien. Bis Quantencomputer solch praktische Aufgaben lösen können, bedarf es Forschern zufolge jedoch noch fünf bis zehn Jahre zusätzlicher Entwicklung. Das Corporate-Foresight-Team der Creavis beobachtet diese Fortschritte kontinuierlich im Rahmen des Fokusthemas Digital Futures. So lässt sich abschätzen, wie und wann Evonik die Technologie zum eigenen Vorteil nutzen kann.