Wir leben im Zeitalter der Hochleistungsmedizin. Doch ein langes und gesundes Leben ist ohne Fortschritte in der Hygiene auch heute undenkbar.
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte ist unsere Lebensdauer kontinuierlich gestiegen. Vor allem im 20. Jahrhundert beschleunigte sich dieser Effekt: Um 1900 wurden Männer in Deutschland durchschnittlich 45 und Frauen 48 Jahre alt − heutzutage dürfen sie beinahe das Doppelte an Lebenszeit erwarten.
Diese Entwicklung verdanken wir zu großen Teilen der Hygiene, die den Ausbruch von Krankheiten verhindert. Erst der neuzeitliche Ausbau der öffentlichen Hygiene – von einer funktionierenden Kanalisation bis hin zu Impfpflichten – und eine effiziente private Hygiene durch wirksame Putzmittel, Toilettenpapier oder Zahnpasta machten eine so lange Lebensspanne möglich.
Dabei reicht die Historie der Hygiene zurück bis in die griechische Mythologie: Namengeberin ist Hygieia, die Göttin der Gesundheit und Tochter von Asklepios, dem Gott der Medizin. Einer ihrer bekanntesten Verehrer: Hippokrates, der eine gewissenhafte Körperpflege zur Vermeidung von Krankheiten empfiehlt. Auch im römischen Reich herrscht großes Hygienebewusstsein: Öffentliche Badeanstalten und Toiletten gehören zum Stadtbild. Wissenschaftler vermuten bereits damals, dass „kleine Tiere“, die mit dem Auge nicht zu erkennen sind, Krankheiten verursachen. Sichtbar werden diese Mikroorganismen jedoch erst gut 2000 Jahre später: 1675 beobachtet der niederländische Kaufmann Antony van Leeuwenhoek erstmals Bakterien unter einem Mikroskop.
KAMPF GEGEN BAKTERIEN
Im 19. Jahrhundert beschleunigt sich die Entwicklung der Hygiene rasant: Ignaz Philip Semmelweis entdeckt den immensen Nutzen der Handdesinfektion und reduziert damit die Müttersterblichkeit dramatisch. Zur selben Zeit führt Sir Joseph Lister die antiseptische Wundbehandlung mit desinfizierender Carbolsäure (Phenol) ein, die das Sterben durch Wundfieber beendet. Louis Pasteur entdeckt die Wirksamkeit des Erhitzens von Lebensmitteln, um sie keimfrei zu machen, und wenig später isoliert Robert Koch den Tuberkulose-Erreger und begründet damit neben Pasteur die moderne Bakteriologie. Wirksam heilen kann man bakterielle Infektionskrankheiten allerdings auch da noch nicht. Erst 1929 entdeckt Alexander Fleming das erste Antibiotikum, das Penicillin.
Heute ist die Geschichte der Hygiene nicht zu Ende. Zwar können wir Krankheiten wie Pest oder Tuberkulose behandeln, gegen viele andere Infektionserkrankungen gibt es jedoch gegenwärtig noch keine Medikamente – auch nicht gegen Covid-19. So bleiben strenge Hygieneregeln die beste Waffe im Kampf für die Gesundheit.
Während in der westlichen Welt meist das Notwendige zur Verfügung steht, um die wichtigsten Hygieneregeln einzuhalten, sieht es in den Entwicklungsländern anders aus: Mehr als 50 Prozent der indischen Haushalte verfügen über keine eigene Toilette, die Hälfte der Weltbevölkerung wäscht ihre Wäsche per Hand, und noch immer haben sehr viele Frauen keinen Zugang zu Menstruations-Hygieneprodukten.
EINE GLOBALE HERAUSFORDERUNG
Doch Krankheiten kennen keine Ländergrenzen, und in der heutigen globalisierten Welt verbreiten sie sich schneller als je zuvor. Aufgrund des Klimawandels müssen wir uns auf mehr Infektionen vorbereiten: Durch steigende Temperaturen erweitern sich Reichweite und Saisonalität von Stechmückenarten und den von ihnen eingeschleppten Viren. In entwickelten Ländern hat die breite Verwendung von Antibiotika zudem dazu geführt, dass immer mehr Bakterienstämme resistent gegen aktuelle Medikamente sind. So ist eine strikte Hygiene auch heute oft das beste Mittel, um Krankheiten Einhalt zu gebieten.
Die hygienischen Herausforderungen werden in Zukunft nicht kleiner. Daher analysieren das Corporate Foresight-Team und die Wissenschaftler der Creavis neue Ansätze und Konzepte in der Hygiene wie anti-mikrobielle Oberflächen und Beschichtungen oder den Einsatz von Phagen – Viren, die spezifische Bakterien angreifen und zerstören. Das Ziel: eine saubere und gesunde Zukunft.