Gouda, Emmentaler, Mozzarella oder Parmesan – Käse ist seit Jahrtausenden für viele Menschen ein alltägliches Nahrungsmittel. Er ist vielfältig, haltbar, lecker und nährstoffreich. Doch die Art und Weise, wie er produziert wird, könnte sich in Zukunft ändern.
Die Welt liebt Käse – und zahlt dafür einen hohen Preis. Nicht nur am Marktstand oder an der Feinkosttheke, sondern auch in puncto Umwelt. Jährlich werden weltweit mehr als 210 Millionen Tonnen Käse konsumiert. Schätzungsweise beträgt der Anteil der globalen Milchproduktion an den gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen 2,7 Prozent. Zudem wird für die Produktion von Käse pro Kilo Endprodukt mehr Fläche benötigt als bei den meisten anderen Lebensmitteln. Und jede Menge Wasser: rund 5.000 Liter. Abgesehen davon, kann gerade einmal ein Drittel aller Menschen Käse genießen – der Rest der Weltbevölkerung leidet unter einer Lactose-Unverträglichkeit. Höchste Zeit, neue Arten zu finden, um dieses Lebensmittel nachhaltiger zu produzieren.
GESCHENK DER GÖTTER
Die Vorliebe der Menschheit für Käse ist uralt. Eine Legende deutet darauf hin, dass bereits 3000 v. Chr. die Mesopotamier ihren Göttern frische Milch als Opfergabe darbrachten. Diese Milch verblieb tagelang am Altar und wandelte sich langsam in Sauermilchkäse. Ein Priester probierte die weiße Masse, staunte und befand, dass diese Speise ein Geschenk der Götter sein musste. Wahrscheinlich war Käse sogar bereits in der Jungsteinzeit bekannt, circa 5500 v. Chr. So wurden im heutigen Polen Bruchstücke einer Seihe aus Ton gefunden, an der Spuren von Milchfettsäuren hafteten. Diese Reste belegen, dass das Haushaltsgerät zum Abschöpfen von Molke für die Käseproduktion genutzt wurde. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ist Käse ein Massenprodukt. Damals legten Wissenschaftler wie Louis Pasteur oder Justus Liebig mit ihrer Grundlagenforschung zu der Rolle von Mikroorganismen in der Käseproduktion den Grundstein für die Industrialisierung. Die Basis jedes Käses ist Casein, eine in der Milch vorkommende, spezifische Proteinmischung. Die Substanz findet sich in jeder Milch, egal ob von Kuh, Rentier, Schaf oder Ziege. Mithilfe von Mikroorganismen wird das Casein von der wässrigen Molke getrennt und dann zu den verschiedenen Käsesorten weiterverarbeitet.
VERZICHT AUF MILCH
Solange Kühe an der Casein-Produktion beteiligt sind, ist das CO2-Problem kaum in den Griff zu bekommen. Doch es gibt gute Neuigkeiten: Casein könnte in Zukunft anders und deutlich verträglicher für die Umwelt hergestellt werden.
So hat das amerikanische Start-up New Culture einen Prozess entwickelt, Casein mittels Fermentation zu gewinnen – mit Mikroorganismen, jedoch ganz ohne Milch. 2023 möchte das Unternehmen das erste Produkt auf den Markt bringen, den ersten echten tier- und lactosefreien Mozzarella.
Die israelische Firma Remilk geht noch einen Schritt weiter und möchte Milch ohne Zutun von Kühen herstellen – ebenfalls durch Fermentation. Die bisherigen Resultate sind vielversprechend und haben sogar den Käseproduzenten Hochland dazu bewogen, in das Unternehmen zu investieren. Das Unternehmen sieht in der veganen Milch eine nachhaltige Alternative zum heutigen Rohstoff.
So werden für die Produktion nur ein Prozent der Fläche, vier Prozent der Rohstoffe und zehn Prozent des Wassers benötigt, die bei der traditionellen Milchproduktion erforderlich sind. Zugleich ist das Ergebnis kulinarisch Analogkäse überlegen, bei dem bereits seit Jahrzehnten Zutaten wie Palmöl, Stärke, Emulgatoren oder Aromastoffe den teuren Reifungsprozess überflüssig machen.
NACHHALTIGE NAHRUNG
Bis die Menschheit keine Kühe mehr benötigt, um die Millionen Tonnen Käse und Milliarden Liter Milch für den eigenen Konsum herzustellen, wird noch sehr viel Zeit vergehen. Dennoch wächst der Markt für lactoseund tierfreien Milch(ersatz) rasant. Schätzungen zufolge wird das Marktvolumen für Milchalternativen im Jahr 2026 beinahe 41 Milliarden US-$ betragen. Grund für das Foresight-Team der Creavis, das Thema künstliche Milch und Casein im Rahmen des diesjährigen Fokusthemas „Sustainable Food Futures 2040“ vertieft zu analysieren. Und wer weiß, vielleicht entsteht ja eines Tages ein tierfreier Käse, von dem auch die mesopotamischen Götter verzückt wären.
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