Ohne Bienen und andere Insekten, die Blüten bestäuben, wäre die Landwirtschaft aufgeschmissen. Da die Populationen schrumpfen, beschäftigen sich Wissenschaftler intensiv mit technischen Alternativen, den Befruchtungsprozess bei Pflanzen zu unterstützen.
Mama, Papa – woher kommen die Babys? Auf diese Frage antworten überrumpelte Eltern gern mit der Geschichte von den Bienchen und Blümchen. Die viel zitierte Frühaufklärungs-Metapher verdanken wir dem deutschen Botaniker Christian Konrad Sprengel. In seiner Arbeit „Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen“ beschrieb er 1793 erstmals die Rolle der Insekten für die Pflanzenvermehrung. Sprengel gilt somit nicht nur als Begründer der Blütenökologie, sondern auch als Ideengeber für Charles Darwins Evolutionstheorie.
Als Bestäubung versteht man den Vorgang, bei dem Pollen von den männlichen Staubbeuteln der Pflanze auf die weiblichen Narben, also die oberen Abschnitte des Stempels einer Blüte, übertragen wird. Neben Bienen sorgen viele andere Insekten wie Hummeln oder Schmetterlinge für die Bestäubung. Fledermäuse, Vögel und Nagetiere übertragen Pollen. Nicht zuletzt tragen auch Wind und Regen zum Befruchtungsprozess bei. Die wichtigste Rolle spielen indes Bienen: Durch ihren kostenlosen Befruchtungsdienst tragen sie schätzungsweise rund 200 Milliarden € pro Jahr zur globalen Wertschöpfung bei.
In den vergangenen Jahren lässt sich allerdings ein beträchtlicher Rückgang der Bestäuberinsekten beobachten. Die intensive monokulturelle Landnutzung, der verstärkte Einsatz von Insektiziden, die Belastung durch Schadstoffe, die zunehmende Bodenzersiedlung und -versieglung, Lichtverschmutzung sowie die Folgen des Klimawandels haben einen gravierenden Einfluss auf die Populationen.
Allein in Deutschland ist rund die Hälfte der 560 Wildbienenarten vom Aussterben bedroht. Schon heute reichen in manchen Regionen die natürlichen Bestäuber nicht mehr, um die geplanten Ernten einzufahren – immer mehr Landwirte müssen der Natur nachhelfen. Eine gängige Methode ist das Ansiedeln zusätzlicher Bienenstöcke, allerdings können die importierten Bienen negative Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme haben. In manchen Anbauregionen Chinas werden Obstpflanzen bereits per Hand bestäubt – eine kostenintensive Methode, die das Problem nicht wirklich löst. Daher forscht man weltweit an kostengünstigen Bestäubungstechniken, um die Ernährung der Menschheit auch in Zukunft zu sichern.
BLASE TRIFFT BLÜTE
In Japan wird beispielsweise die Bestäubung durch Seifenblasen erprobt: Einem Team des Japan Advanced Institute of Science and Technology in Nomi gelang es, Obstbäume mithilfe von Seifenblasen zu bestäuben. Dazu wurde eine Art Kanone auf eine Drohne montiert, die Birnbäume mit Blasen aus einer 0,4-prozentigen Lauramidopropyl-Betain-Lösung beschoss. Diese sind umweltverträglich, robust und klebrig genug, dass an ihnen bis zu 2.000 Pollenkörner haften. Wird eine Blüte von zwei bis zehn Blasen getroffen, ist eine Befruchtung sehr wahrscheinlich.
Das israelische Techunternehmen Edete will Pflanzen mithilfe elektrostatischer Felder befruchten, das Start-up Polybee aus Singapur erprobt Mikrodrohnen, die die von einigen Bienen angewandte „Summenbestäubung“ nachahmt. Dabei wird der Pollen durch Vibrationen in der Luft, normalerweise erzeugt durch den Flügelschlag vorbeifliegender Insekten, freigesetzt.
DIE ZUKUNFT DER ERNÄHRUNG
Wenn wir in Zukunft die Welt ernähren wollen, müssen wir den Ausfall natürlicher Bestäuber auffangen. Ein guter Grund für das Foresight-Team der Creavis, sich im Rahmen des Themas Sustainable Food Futures 2040 mit dem Thema zu beschäftigen. Evonik verfügt beispielsweise über weitreichende Kompetenzen in der Grenzflächenchemie, die einen Beitrag zur Entwicklung künftiger Bestäubungsmethoden leisten können. Zudem arbeitet die Creavis-Einheit Agricultural Solutions an Lösungen für eine nachhaltigere Landwirtschaft, die dazu beitragen kann, dass sich Bienchen und Blümchen wieder so wohlfühlen, dass sie den Menschen in Sachen Befruchtung gar nicht mehr brauchen.