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So gut wie neu

Lesedauer 10 min
08. Oktober 2025

Kunststoff ist aus unserer Welt nicht wegzudenken. Um fossile Ressourcen zu schonen und Abfälle zu verringern, findet durch die Circular Economy ein Paradigmenwechsel statt: Recycling wird schon beim Design und Herstellen neuer Produkte mitgedacht. Um diesen Prozess zu beschleunigen, entwickelt Evonik gemeinsam mit Partnern neue Lösungen. Das Motto: Design for Circularity.

Michael Prellberg
Von Michael Prellberg

Er lebt und arbeitet als freier Redakteur und Journalist in Berlin und Hamburg.

Klack, klack. Alexander Azzawi klappt den schwarzen Plastikkoffer auf. Darin liegen zwei miteinander verklebte Kunststoffriegel, über einen silbernen Metallstreifen verbunden und zwischen zwei Klemmen fixiert. Daneben ein Schlüssel. „Einfach mal umdrehen“, empfiehlt Azzawi, wie häufig auf Messen. Prompt geht ein Licht an, im Koffer beginnt etwas zu arbeiten. „Wir erhitzen mittels der Metallfolie den Klebstoff“, sagt Azzawi, „dann lassen sich die beiden Kunststoffteile ganz einfach voneinander lösen.“

Während es im Demonstrationskoffer leise vor sich hin surrt, erklärt Azzawi, Leiter Lifecycle Solutions bei der Creavis, warum das funktioniert: Sein Team hat ein spezielles Bindemittel für polyurethanbasierten Klebstoff entwickelt, das herkömmliche Binder ersetzt. Beim Verkleben reagieren die anderen Komponenten des Klebers mit dem neuartigen Binder und bilden ein dreidimensionales Netzwerk aus.

Die Verbindungsstellen sind allerdings so gestaltet, dass sie sich bei Temperaturen jenseits der 100 Grad auflösen, sodass der Klebstoff nicht mehr klebt. Genau das passiert jetzt: Problemlos zieht Azzawi die beiden Kunststoffriegel auseinander „Das ist ein bisschen so, als würde man bei einem Strickpulli an einigen Stellen einen Faden durchtrennen, und das Gewebe fällt auseinander.“ 

Alexander Azzawi steht mit dem geöffneten Koffer an einem Labortisch.

Debonding on demand

„Debonding on Demand“ heißt dieses Prinzip: Klebeverbindungen werden genau dann voneinander gelöst, wenn es nötig ist. Dank dieser Technik lassen sich Produkte einfacher auseinanderbauen, reparieren oder die einzelnen Bestandteile recyceln. So hilft Debonding on Demand, Kreisläufe zu schließen. Das gilt für Smartphones und Laptops ebenso wie für andere Alltagsgegenstände wie etwa Schuhe. Lassen sich beispielsweise Sohle und Schaft leichter voneinander trennen, ermöglicht das eine sortenreine Wiederverwertung der Bestandteile.

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Aber auch Hersteller von Elektroautos sind interessiert daran, Karosserie und Batterie künftig miteinander zu verkleben statt zu verschrauben. Das spart Gewicht und erleichtert das Design. Derzeit ist Evonik in diversen Gesprächen, etwa bei einer Entwicklungspartnerschaft mit dem Klebstoffspezialisten Delo, wo und wie sich Debonding on Demand schon heute einsetzen lässt.

Die Zeit ist reif für Alternativen zum klassischen „Herstellen und Wegwerfen“. Das gilt insbesondere für Kunststoffe. Aktuell werden jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, und die Nachfrage soll sich bis 2050 fast verdoppeln. Ein Grund dafür sind die in vielen Anwendungen überlegenen Produkteigenschaften Hochleistungskunststoffe machen Leichtbau möglich und lassen so zum Beispiel Elektroautos weiter fahren, während die mechanischen Eigenschaften faserverstärkter Kunststoffe Rotorblätter von Windkraftanlagen stabilisieren und für mehr grünen Strom sorgen.

Ein Evonik-Mitarbeiter schaut durch ein Sichtglas in einen Reaktor.

Je stärker die Nachfrage steigt, umso drängender ist es, die wertvollen Materialien am Ende der Nutzungsdauer im Stoffkreislauf zu halten. Denn noch funktioniert die globale Kunststoffindustrie weitgehend linear: Zum einen werden heute mehr als 90 Prozent der Kunststoffe aus Erdöl produziert, zum anderen landet weltweit ein erheblicher Teil bisher am Ende ihrer Nutzung entweder auf der Deponie, im Heizkraftwerk oder sogar in der Umwelt. Es braucht eine Alternative: „Circular Economy“, das zirkuläre Wirtschaften, schließt Stoffkreisläufe, macht aus Abfällen wieder Rohstoffe und trägt damit zu Ressourcenschonung und Klimaschutz bei.

Recycling neu denken

Beim mechanischen Kunststoffrecycling werden Kunststoffabfälle nach dem Sammeln sortiert. Nur sortenreiner Abfall lässt sich weitgehend ohne Qualitätsverlust recyceln. Bei Getränkeflaschen aus Polyethylenterephtalat (PET) gelingt das zum Beispiel schon gut. Bei gemischten oder stark verunreinigten Abfällen ist diese Route jedoch versperrt. Sie lassen sich nicht noch einmal nutzen und werden daher direkt deponiert oder verbrannt.

Circularity muss also neu gedacht werden: nicht vom Ende her, sondern vom Anfang. Das Ziel: Produkte von vornherein so zu gestalten, dass sie im Kreislauf gehalten oder recycelt werden können – für gleichwertige Anwendungen und in möglichst hoher Qualität. So gelingt der Einstieg in die ressourcenschonende Circular Economy.

„Um Kreisläufe aufzubauen, brauchen wir ‚Design for Recycling‘ und mechanische und chemische Recyclingmethoden“, sagt Patrick Glöckner. Er leitet das Next Markets Program von Evonik, zu dessen Schwerpunkten zirkuläre Verpackungen und Kunststoffrecycling gehören. „Letztlich geht es darum, fossile Ressourcen zu schonen und das Verbrennen von Reststoffen zu minimieren.“

TEGO Darmstadt

Gesetzliche Vorgaben unterstützen diesen Prozess, sodass Zirkularität zu einem wichtigen Bestandteil der Industrie geworden ist. Evonik hat ihre Aktivitäten für den Kunststoffkreislauf bereits 2020 im Global Circular Plastics Program gebündelt und den Fokus wenig später mit dem Circular Economy Program auf weitere Stoffströme erweitert. Die Idee: Produkte und Prozesse so zu konzipieren, dass immer weniger fossile Rohstoffe erforderlich sind und sie Anforderungen an die Recyclingfähigkeit erfüllen. 

Portrait Patrick Glöckner

»Es braucht von Anfang an das richtige Design, Design for Circularity«

Patrick Glöckner Leiter des "Next Markets Program" von Evonik

Außerdem wird Recycling für die Geschäftspartner von Evonik durch gesteigerte Effizienz und qualitativ bessere Rezyklate wirtschaftlicher. Das Ziel sind Kunststoffe, die sich ökologisch und ökonomisch sinnvoll recyceln lassen. „Und damit das gelingt“, sagt Glöckner, „braucht es von Anfang an das richtige Design, Design for Circularity.“

Evonik knüpft Netzwerke

Wer Zirkularität ernst nimmt, muss alle Teile des Kreislaufs betrachten. Das bedeutet, allen Unternehmen in einer Wertschöpfungskette Fragen zu stellen: Welche Qualitätsanforderungen hat ein bestimmtes Material? Wie fließen die Stoffströme? Welche Verfahren kommen zum Einsatz? Um das zu erkunden, geht Evonik mit dem Next Markets Program zunehmend auch auf Markenartikelhersteller und andere Beteiligte zu, etwa Recyclingfirmen. „Jeder hat ganz unterschiedliche Prioritäten und kennt oft die Herausforderungen der anderen nicht“, sagt Glöckner. Das soll sich ändern – indem Evonik Netzwerke aufbaut und Märkte erschließt, die an bestehende Geschäfte anknüpfen.

Denn durch die langjährigen, etablierten Geschäftsbeziehungen hat Evonik Einblicke in die Bedürfnisse und Fähigkeiten vieler Unternehmen und das entlang ganzer Wertschöpfungsketten. Dieser ganzheitliche Blick ermöglicht es den Experten des Unternehmens, ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen – sowie mit den passenden Additiven, die das zirkuläre Wirtschaften an vielen Stellen entscheidend voranbringen. Das Ergebnis: eine „Systemlösung“, die dafür sorgt, dass Kunststoffverpackungen leichter zu recyclen sind.

Wie kommt die Farbe von der Verpackung?

Jedes Netzwerk beginnt mit den ersten Verknüpfungen. So kommt beim Thema bedruckter Kunststoff die hubergroup ins Spiel. An sieben Standorten produziert der international aktive Druckfarbenhersteller jährlich 172.000 Tonnen Farbe, die an Druckereien verkauft werden – etwa an solche, die Verpackungen mit Logos, Inhaltsangaben und Mindesthaltbarkeitsdaten versehen.

Damit Folien, Flaschen oder Becher aus Kunststoff mehrfach genutzt werden können, muss die aufgedruckte Farbe komplett entfernt werden. Deinking, also Druckfarbenentfernung, lautet das Stichwort. 

Kunststoffstreifen hängen an einer Leine im Labor. Der untere Teil ist blau, eine Hand mit Schutzhandschuh hält prüfend einen der Streifen..

Die Herausforderung: Die Farbbestandteile sind eng an die Polymerstruktur des Kunststoffs gebunden, können beim Recyclingprozess stören und mindern die Qualität der Rezyklate. Bislang existiert keine Lösung, die im industriellen Maßstab ökonomisch sinnvoll Nitrocellulose-basierte Druckfarben abwäscht. Methoden mit Lösemitteln, hohem Energieeinsatz oder anderen Nachteilen gibt es zwar, aber keinen einfachen Ansatz.

„Das wollten wir ändern“, sagt Christian Schirrmacher, Leiter Forschung & Entwicklung für Druckfarbenadditive in EMEA bei Evonik Coating Additives. „Wir haben die gesamte Wertschöpfungskette analysiert und sehen, dass wir direkt bei den Farbherstellern ansetzen müssen: Dank unserer Lösung können sie die Deinking-Funktionalität direkt in die Farbe einbauen, ohne weitere Produktionsschritte anpassen zu müssen, sodass die Hürden minimal sind.“

TEGO Res 1100 heißt das in Darmstadt produzierte Co-Bindemittel von Evonik, das schon zur Farbformulierung hinzugefügt wird: ein Polymer, das auf Änderungen des pH-Werts reagiert. Es wirkt, sobald das mechanische Recycling der geschredderten Verpackungen in einer Art riesigen Waschmaschine beginnt: Wird Natriumhydroxid (NaOH) als Base beigemischt, ändert sich der pH-Wert der Lauge. Dieser „pH shift“ aktiviert TEGO Res, wodurch die Bindung der Farbbestandteile an den Kunststoff geschwächt und die Farbe abgelöst wird. „Unsere Versuche belegen, dass TEGO Res exzellente Deinking-Ergebnisse liefert – schnell und selbst bei Temperaturen von nur 40 Grad.“

Christian Schirrmacher lehnt in einem dunklen Anzug an einem Baum.

Mühelos integrierbar

Als TEGO Res die Labortests bestanden hatte, rief Schirrmacher daher bei der hubergroup an: „Wir haben da was, wollt ihr das mal ausprobieren?“ Die hubergroup wollte und bestätigte nicht nur die Laborergebnisse, sondern testete auch im industriellen Maßstab. Und tatsächlich: Das Co-Bindemittel lässt sich mühelos in gängige Formulierungen von lösemittelbasierten Farben integrieren. Die Farben sind ebenso gut zu verarbeiten und behalten ihre Performance. Prozesse und Anlagen müssen nicht verändert werden. Und vor allem: Das Deinking beim anschließenden Recycling ist so effizient, dass die Rezyklate hochwertiger sind als in herkömmlichen Verfahren. „Alles hat geklappt. Das Evonik-Produkt ist eine interessante Option, technologisch wie wirtschaftlich“, sagt hubergroup-Manager Lars Hancke.

Das Interesse aus der Wirtschaft an ganzheitlichen Recyclinglösungen steigt, vor allem in der Europäischen Union. Beispiel Verpackungen: Von 2026 an gilt für alle EU-Mitgliedstaaten eine neue Verpackungsverordnung. Sie stellt, was Recycling angeht, umfassende Anforderungen an die Verpackungen im europäischen Markt. Damit wird eine Deinking-Lösung, die schon mit der Farbe aufgetragen wird, zum Verkaufsargument. Folgerichtig spricht Evonik-Laborleiter Christian Schirrmacher von einem einzigartigen Produkt mit riesigen Marktchancen weit über Europa hinaus. 

Ein Sack mit TEGO Res in der Abfüllmaschine.

Recycling in der Autoimobilndustrie

Das Entfernen von Farbe spielt nicht nur bei Verpackungen, sondern auch in der Automobilbranche eine Rolle. In einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Konsortialprojekt mit BMW und anderen Partnern ist Evonik der Frage nachgegangen, wie sich lackierte Stoßfänger wiederverwenden lassen. „Die Bauteile bestehen aus Polypropylen und sind eigentlich nicht dafür gemacht, recycelt zu werden“, sagt Michael Hagemann, Marketingleiter für das Kunststoff-Additivgeschäft von Interface & Performance bei Evonik. „Der Lack auf den Stoßfängern soll schließlich auch nach Jahren im Straßeneinsatz noch fest auf dem Untergrund haften.“

Für ein Recycling müssen zwei Schritte bewältigt werden. Der erste besteht darin, den Lack von den alten Stoßfängern zu entfernen. Die zweite Herausforderung: Das vom Lack getrennte und dann recycelte Polypropylen muss qualitativ so hochwertig sein, dass daraus neue Stoßfänger produziert werden können, die sowohl bei der Performance als auch bei der Sicherheit höchsten Ansprüchen gerecht werden. Und der neue Lack muss wieder über viele Jahre ansehnlich bleiben.

Für die erste Herausforderung hat Evonik einen wasserbasierten und umweltfreundlichen Prozess ausgearbeitet, bei dem die alten Stoßfänger geschreddert und entlackt werden. Vom Lack bleiben nur sehr wenige Restpartikel zurück. Das ist entscheidend, um ein hochwertiges Rezyklat herzustellen.

Das Polypropylen-Granulat wird per Spritzguss zu neuen Stoßfängern geformt und anschließend lackiert. Auch diese zweite Herausforderung ist im Projekt mit BMW gemeistert worden: „Der Lack sieht ebenso gut aus und ist ebenso belastbar wie auf neuen Stoßfängern ohne Recyclinganteil“, sagt Michael Hagemann. Im Next Markets Program arbeiten die Experten daran, die Lösung, die auch beim Recycling anderer lackierter Kunststoffe angewendet werden kann, zu kommerzialisieren. 

Symbolbild: Automobile der Zukunft (KI Bild)

Das ist eine gute Botschaft für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer. Sie steht ebenfalls in der Verantwortung, mehr Rezyklate einzusetzen. Die entsprechende Verordnung könnte noch in diesem Jahr kommen und sieht vor, Autos künftig so zu bauen, dass Teile leichter ausgebaut und ersetzt werden können und dass ein Mindestanteil recycelter Kunststoffe verbaut wird. 

Der Trend zu Monomaterialien

Die Europäische Union steht keineswegs allein mit ihrem Bestreben, Recycling und darüber hinaus den Einstieg in das zirkuläre Wirtschaften voranzutreiben. Weltweit existieren gesetzliche Vorgaben, um CO2-Emissionen zu verringern und Ressourcen zu schonen (siehe Kasten). Beides lässt sich erreichen, indem zum Beispiel mehr Kunststoff recycelt und dann genutzt wird.

Daran hapert es mitunter. „Manches, was beispielsweise bei Verpackungen für Lebensmittel aussieht wie aus einem Material und damit recyclingfähig, besteht in Wahrheit aus fünf, sieben oder gar neun ultradünnen Lagen verschiedener Kunststoffe – und das ist beim besten Willen nicht zu trennen“, sagt Evonik-Manager Hagemann. „Eine Lösung ist es, wo immer es geht, mit Monomaterialien zu arbeiten.“ Hagemann zielt darauf ab, dass sortenreine Kunststoffe besonders gut mechanisch recycelt werden können.

Grafik-Text: Weltweite Materialkreisläufe   Derzeit sind wir Teil einer weitgehend linearen Wirtschaft: Was hergestellt worden ist, wird benutzt und dann weggeworfen. Beim zirkulären Wirtschaften hingegen werden Produkte und Materialien im Idealfall komplett recycelt. Außerdem halten Produkte länger und sind leicht zu reparieren. Weltweit gibt es Initiativen und Gesetzesvorhaben, um das Recycling von Kunststoffen voranzutreiben.  •	In der EU greift ab 2026 die Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR). Bereits seit Juni 2025 gelten EU-weite Regeln für das Recht auf Reparatur (Right to Repair). Auch bei der Autoproduktion will die EU per Verordnung für mehr Recycling sorgen und für Kunststoff in Neuwagen Rezyklat-Einsatzquoten einführen.  •	Die USA wollen die landesweite Recyclingquote bis 2030 auf 50 Prozent erhöhen. Allerdings ist dieses vor fünf Jahren von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency ausgegebene Ziel nicht rechtlich bindend. Einige US-Bundesstaaten und -Kommunen haben eigene Regularien für wiederverwertbare Materialien erlassen, die von Deponierungsverboten bis zu verpflichtendem Recycling reichen, inklusive Geldbußen. Bundesstaaten wie Kalifornien oder Illinois haben sich ebenfalls Recyclingziele gesetzt und ermuntern Verbraucher mit einem Pfandsystem auf Dosen oder Flaschen zur Wiederverwertung. •	China hat im Jahr 2018 als erstes Land den Import von unsortierten Plastikabfällen verboten – ein Vorbild, dem seither zahlreiche Staaten gefolgt sind. 2021 macht die Regierung den Aufbau einer Circular Economy zu einem Schwerpunkt des neuen Fünfjahresplans. Heute gilt die Volksrepublik in dem Bereich als führend.
Vergleich EU, USA und China

Das stellt hohe Anforderungen an die Verpackungskonstruktion: Bisher werden zum Beispiel Verpackungen aus reinem PET nur selten genutzt, unter anderem weil sich die einzelnen Teile einer Verpackung kaum zusammenfügen lassen. Evonik hat daher Heißsiegellacke entwickelt, die genau das ermöglichen. Statt der heute üblichen Mehrschichtverbundsysteme können so häufiger Monomaterial-Verpackungen für Lebensmittel genutzt werden. 

Chemisches ergänzt mechanisches Recycling

Kann kein Monomaterial verwendet werden, müssen diese chemischen Strukturen aufgebrochen werden. So ist es möglich, auch komplexere Kunststoffe zu recyceln. Die üblichen Lebensmittelverpackungen aus Polyolefinen lassen sich verflüssigen. Dieses sogenannte Pyrolyseöl kann dann in den Kreislauf zurückgeführt werden. Selbst bei Monomaterialien kann chemisches Recycling vorteilhaft sein – wie zum Beispiel bei Polyurethanschaummatratzen, die nicht mechanisch recycelt werden können, da sie nicht aufschmelzbar sind.

Wie dieser Prozess funktioniert, zeigt sich beispielhaft bei einer Matratze des britischen Herstellers The Vita Group, die bis zu 100 Prozent aus recyceltem Polyol besteht. Ihr CO2-Fußabdruck ist um 70 Prozent geringer als der von Standardmatratzen. Möglich wird dies durch eine von Evonik entwickelte Hydrolysetechnologie. Sie erlaubt es, Polyurethan zu spalten und dabei Polyole zurückzugewinnen.

Für die Spaltung wird ein katalytisches System genutzt, das die chemischen Bindungen schnell und effizient bricht. So können Polyol und Toluoldiamin (TDA). wiedergewonnen werden. Letzteres lässt sich in einer Folgereaktion zum Isocyanat Toluylendiisocyanat (TDI) umsetzen. TDI und Polyol sind exakt die Stoffe, die zur Produktion von Polyurethan benötigt werden.

„Unser Verfahren ermöglicht einen großen Schritt hin zu einem geschlossenen Stoffkreislauf in der Polyurethan-Industrie. Durch das zurückgewonnene, hochwertige Material sind deutlich weniger fossile Rohstoffe notwendig, um neue Matratzen herzustellen“, sagt Emily Schweissinger, Technologiemanagerin bei Evonik Comfort & Insulation.

Eine hell-lachfarbene Matratze

Angesichts von 40 Millionen Matratzen, die jährlich allein in der Europäischen Union produziert werden, ist die Vita Advanced Mattress ein echter Fortschritt. „Noch vor fünf Jahren galt diese Technologie als unmöglich“, sagt Natalie Watson, Group Director of Sustainability bei The Vita Group, in der Fachpresse. „Heute haben wir bewiesen, dass Schaumstoffe mit hohem Recyclinganteil, deutlich reduzierten Emissionen und ohne Kompromisse bei der Haltbarkeit hergestellt werden können. Solche Innovationen entstehen nur, wenn Lieferanten, Partner und interne Teams mit einem gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten.“

Aktuell wird das Verfahren in einer Pilotanlage in Hanau getestet; für den Sprung zur nächsten Größe sind die Aussichten gut: Ein unabhängiges Expertengremium hat dem Land Nordrhein-Westfalen empfohlen, den „Just Transition Fund“ der Europäischen Union zu nutzen und den Bau einer Demonstrationsanlage im Chemiepark Marl zu fördern. Sobald die offizielle Genehmigung vorliegt, können die technischen Planungen beginnen. 

Recycling braucht Kreisläufe

Deinking mit Druckfarbenherstellern wie der hubergroup, chemisches Recycling für Matratzenproduzenten wie The Vita Group, Debonding on Demand mit dem Klebstoffspezialisten Delo: Evonik ist im Gespräch mit Akteuren auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette, um gemeinsam zum Erfolg zu kommen. „Um den Kreislauf zu schließen, braucht es Kooperationen mit allen Partnern“, sagt Evonik-Manager Glöckner.

Diese Art der Zusammenarbeit sei das Fundament einer funktionierenden Circular Economy. „Nur wenn alle verstehen, was die verschiedenen Partner umtreibt, können wir gemeinsam passgenau die jeweils beste Lösung entwickeln.“

So lassen sich Kunststoffe über einen langen Zeitraum im Kreis halten. „Und damit das gelingt“, sagt Glöckner, „braucht es von Anfang an das richtige Design.“

 

Blaue Plastikstückchenm schwimmen in einer durchsichtigen Flüssigkeit