Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Zum einen dient er als CO2-freier Energieträger für Industrieproduktion und Mobilität, zum anderen ist Wasserstoff ein wichtiger Rohstoff für die Chemiebranche. Der Bedarf liegt weltweit bei 100 Millionen Tonnen, und er steigt weiter. Dominiert wird der Markt von grauem Wasserstoff, der aus fossilen Quellen wie Erdgas erzeugt wird. Dabei entsteht Kohlendioxid.
Schätzungen gehen davon aus, dass der Wasserstoffbedarf bis 2050 je nach Szenario auf 300 bis 700 Millionen Tonnen ansteigen wird. 60 bis 70 Prozent davon, so sagen es Beratungsagenturen voraus, werden dann grüner Wasserstoff sein, der Rest blauer. Grüner Wasserstoff wird in einer Elektrolyse aus Wasser mit Strom aus CO2-neutralen – vorzugsweise erneuerbaren – Quellen erzeugt. Der blaue Wasserstoff entsteht weiterhin aus fossilen Quellen. Das CO2 wird abgeschieden, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt.
ELEMENTS-Newsletter
Erhalten Sie spannende Einblicke in die Forschung von Evonik und deren gesellschaftliche Relevanz - ganz bequem per E-Mail.
Mit 60 Prozent hat China derzeit den größten Bedarf an Wasserstoff. Da das Land in den vergangenen 15 Jahren erneuerbare Energien massiv ausgebaut hat, ist in China bereits heute die Produktion grünen Wasserstoffs deutlich günstiger als in Europa. Grauer Wasserstoff aus Erdgas ist dort vergleichsweise teuer, denn asiatische Länder wie China, Südkorea und Japan haben keine oder nur eine eingeschränkte Anbindung an Erdgaspipelines. Die eigene Erdgasförderung kann den Bedarf nicht decken. So kostet in China ein Kilogramm Wasserstoff aus Erdgas derzeit etwa 2,8 US-$, aus der Elektrolyse 4,5 US-$. In Europa steht einem Preis von1,5 € für konventionell erzeugten Wasserstoff einer von 6 bis 9 € für grünen Wasserstoff gegenüber. Die US-Amerikaner setzen wegen der guten Verfügbarkeit von Erdgas auf blauen Wasserstoff.
»Duraion hat das Potenzial, die Produktion von grünem Wasserstoff kostengünstiger zu machen.«
Christian Däschlein Leiter des Wachstumsbereichs Wasserstoffwirtschaft bei der Creavis
Geringere Investitionskosten
Für die Wirtschaftlichkeit von grünem Wasserstoff sind neben günstigem Ökostrom auch die Investitionskosten für den Elektrolyseur entscheidend. Mit einer selbst entwickelten innovativen und leistungsfähigen Anionen-Austausch-Membran (AEM) könnte Evonik hier künftig den Unterschied ausmachen. Die Business Line High Performance Polymers (HP) vermarktet die Membran unter dem Namen Duraion. „Unsere Membran ist ein zentraler Bestandteil in der AEM-Wasserelektrolyse“, sagt Christian Schnitzer, bei HP zuständig für Duraion. Christian Däschlein, Leiter des Wachstumsbereichs Wasserstoffwirtschaft bei der Creavis, ergänzt: „Duraion hat das Potenzial, die Produktion von grünem Wasserstoff kostengünstiger zu machen.“
Die Elektrolyse mit anionenleitenden Membranen hat gegenüber anderen elektrolytischen Verfahren wie der klassischen Wasserelektrolyse mit Diaphragma (alkalische Elektrolyse, AEL) oder der neueren PEM-Elektrolyse (Proton Exchange Membrane), die in saurem Milieu läuft, klare Vorteile. So verspricht die AEM-Elektrolyse im Vergleich zur PEM-Elektrolyse geringere Investitionskosten, da der Betrieb unter alkalischen Bedingungen den Einsatz edelmetallfreier und damit deutlich preiswerterer Werkstoffe ermöglicht. Im Vergleich zur AEL zeichnet sie sich ebenso wie die PEM-Elektrolyse durch eine hohe Stromdichte, eine sehr gute Effizienz und eine hohe Flexibilität in der Stromeinspeisung aus. „Die AEM-Elektrolyse vereint das Beste aus beiden Welten“, sagt Däschlein.
Bis zu einem Meter breit
Die Entwicklung einer Membran für die AEM-Elektrolyse brachte jedoch auch Herausforderungen mit sich. Denn die alkalische Umgebung ist aggressiv. Um eine widerstandsfähige und leistungsstarke Membran zu entwickeln, die unter diesen Bedingungen arbeitet, waren viel Know-how und umfangreiche Forschungsarbeit nötig.
So forderten etwa die Kombination der Bausteine des Polymers, aus dem die Membran besteht, dessen Herstellung sowie die Produktion der Membran die Experten heraus.
»Das Interesse der Kunden ist riesig. Jetzt müssen wir nur noch liefern.
«
Christian Schnitzer Product Line Membranes bei High Performance Polymers
„Die Kombination einer Vielzahl von Expertisen hat uns zum Ziel gebracht“, sagt Däschlein. Er betont insbesondere die Rolle der Verfahrenstechnik, aber auch des Engineerings und des Technical Service sowie die übergreifende Zusammenarbeit mit den Forschungseinheiten von High Performance Polymers, Interface & Performance, Crosslinkers und Catalysts, welche die erfolgreiche Produktentwicklung erst möglich gemacht habe. Die mehr als 60 Beteiligten hätten ihr Spezialwissen, aber auch ihre Technikkapazität bereitgestellt. „Innovationen wie die AEM-Membran gelingen uns nur gemeinsam. So nutzen wir die vorhandenen Ressourcen bestmöglich, minimieren die benötigten Investitionsmittel und maximieren den Output“, so Däschlein.
Jetzt investiert Evonik einen niedrigen zweistelligen Millionen-€-Betrag in den Bau einer Pilotanlage zur Produktion der neuen Membran in Marl. Sie soll bereits Anfang 2026 in Betrieb sein. Die Produktionskapazität von Zwischenprodukten für Duraion-Membranen hat Evonik bereits stetig erhöht. Nach ihrer Fertigstellung wird die Anlage in der Lage sein, pro Jahr genügend Membranen herzustellen, um 2,5 Gigawatt Elektrolyseleistung für die Wasserstofferzeugung bereitzustellen.
Künftig werden die Membranen eine Breite von bis zu einem Meter statt 13 Zentimeter wie in der Laboranlage haben. Damit erfüllen sie die Anforderungen der Kunden für kommerzielle AEM-Elektrolyseure. Zusätzlich wird die Produktionsanlage auch gewebeverstärkte Membranen herstellen können, um dem wachsenden Kundeninteresse an mechanisch noch stabileren Membranen gerecht zu werden.
Chancen vor allem in China
Parallel zur technischen Entwicklung der Membran holte das Team um Däschlein und Schnitzer das Feedback von Kunden und Markt ein und präzisierte so auch die Anforderungen an die Membran.
Große Vermarktungschancen sieht Schnitzer in Asien, vor allem in China, wo die Wasserstoffwirtschaft massiv ausgebaut wird. Es gibt viele Start-ups, und auch Konzerne investieren im Bereich Wasserstoff. „Das Land will die Technologie grundlastfähig machen, also mithilfe von Wasserstoff die kontinuierliche Bereitstellung von Energie ermöglichen“, sagt Schnitzer. China möchte Wasserstoff nicht nur als Energieträger nutzen, sondern auch die energiehaltigen Stoffe Methanol und Ammoniak daraus erzeugen. Sie haben ein geringeres Volumen als Wasserstoff und können deshalb einfacher transportiert werden.
„Wir beobachten, dass in China neben der klassischen AEL auch verstärkt die AEM-Technologie nachgefragt wird“, sagt Schnitzer. Experten gehen davon aus, dass die klassische und preiswerte AEL künftig rund 70 Prozent des Wasserstoffs produzieren wird. Die flexible AEM-Technologie wäre dann eine gute Ergänzung dieser Grundlastsicherung.
Dafür stellt Evonik ab 2026 mit Duarion dem Markt eine leistungsfähige Membran zur Verfügung. „Das Interesse der Kunden ist riesig“, sagt Schnitzer. „Jetzt müssen wir nur noch liefern.“ Für den europäischen Markt sehen die Evonik-Experten indes deutliches Verbesserungspotenzial. Nicht nur seien die Stromkosten viel zu hoch, es fehle auch ein ambitioniertes Konzept für eine ganzheitliche Umstellung der Gaswirtschaft. Schnitzer fordert: „Wir brauchen einen großen Wurf, um Wasserstoff auch in Europa grundlastfähig zu machen. Andere Regionen sind da schneller und weiter.“
Elektrolyseverfahren im Überblick
Wasserelektrolyseure folgen im Aufbau immer einem vergleichbaren Prinzip: Sie bestehen aus den Elektroden (Anode und Kathode), einem Elektrolyten sowie einem Separator oder einer Membran. Der Separator hält bei der alkalischen Elektrolyse die entstehenden Produkte Wasserstoff und Sauerstoff getrennt und ermöglicht die Wanderung von Ionen, um einen Ladungsausgleich zu erreichen. Diese Trennschicht ist die zentrale Komponente des Elektrolyseurs, da sie Wirkungsgrad und Zuverlässigkeit ganz wesentlich beeinflusst.
Der Klassiker AEL
Das Arbeitspferd unter den bisher üblichen Verfahren ist die alkalische Elektrolyse (AEL). Hier werden die Elektroden in eine stark konzentrierte Kalilauge platziert. An der Kathode spalten sich Wassermoleküle in Wasserstoff- und Hydroxidionen. Der Wasserstoff steigt als Gas auf, die Hydroxidionen wandern durch die Lauge zur Anode, wo sie zu Wasser und Sauerstoff reagieren. Damit die Reaktionsprodukte nicht mit einem großen Knall wieder zusammenfinden, trennt ein poröses Diaphragma als Separator die Anoden- von der Kathodenseite des Elektrolyseurs. Diese robuste Technik kommt mit recht günstigen Materialien aus. In den Katalysatoren, die an den Elektroden die Reaktionen in Gang bringen, wird zum Beispiel Nickel, Kobalt oder Eisen verbaut, in den Gehäusekomponenten Edelstahl. Entsprechend werden heute große Elektrolyseure nach diesem bewährten Konzept errichtet.
Ein Nachteil der AEL: Da das Diaphragma porös ist, also Gase durchlässt, können die Anlagen nur eingeschränkt unter Druck betrieben werden. Der Wasserstoff muss also unter hohem Energieaufwand komprimiert werden, damit er gespeichert und weitertransportiert werden kann. Die poröse Membran kann außerdem nur bei geringen Stromdichten betrieben werden, hat also einen geringeren Wirkungsgrad.
Effizienter mit PEM
Wesentlich höhere Stromdichten schafft die PEM-Elektrolyse (Proton Exchange Membrane). Für die gleiche Menge Wasserstoff genügt deshalb ein deutlich kleinerer Elektrolyseur. Solche Elektrolyseure sind bereits auf dem Markt. Bei der PEM-Elektrolyse kommt statt eines Diaphragmas eine Membran zum Einsatz. Ein PEM-Elektrolyseur wird nicht nur bei höheren Stromdichten betrieben als eine AEL-Anlage, er hält auch größere Lastschwankungen aus. Da er zudem unter Druck betrieben werden kann, wird weniger Energie für die spätere Wasserstoffkompression benötigt.
Die PEM-Zellen arbeiten im sauren Milieu, erfordern also sehr robuste Materialien. Für die Katalysatoren benötigt man Edelmetalle wie Platin und Iridium, für die Zellen Titan oder sogar platiniertes Titan. Das erhöht die Investitionskosten spürbar. Insbesondere Iridium ist ein knapper Rohstoff.
Kostengünstig in die Zukunft mit AEM
Die Bauweise einer AEM-Zelle (siehe Grafik auf der linken Seite) ist der einer PEM-Zelle recht ähnlich, auch sie kann unter Druck und mit hoher elektrischer Leistung betrieben werden. Das Herzstück ist hier ebenfalls eine Membran aus einem ionenleitenden Polymer. Bei der AEM können für die Elektroden signifikant günstigere edelmetallfreie Materialien wie Nickel verwendet werden, denn das Verfahren arbeitet im alkalischen Milieu.