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Richtung Neutral

Produktion des Aminosäure-Produktes Biolys in Castro, Brasilien
Lesedauer 5 min
05. November 2021

Mit Biolys begann vor mehr als 30 Jahren die Nutzung fermentativer Methoden bei Evonik. Permanent verbessern Bioingenieure die Produktivität und verkleinern den CO2-Fußabdruck des Herstellungsprozesses.

Der neue Leiter der Prozessentwicklung in Blair preschte vor: „Aus der Anlage können wir 50 Prozent mehr herausholen“, befand Dr. Henning Kaemmerer im Herbst 2018, kurz nachdem er aus Hanau nach Nebraska (USA) umgezogen war. Die Anlage, die bereits seit fast zwei Jahrzehnten die Aminosäure Biolys produzierte, war seit Inbetriebnahme immer wieder optimiert worden. Doch 50 Prozent? So eine Steigerung der Produktivität war schwer vorstellbar.

Biolys wird Futtermitteln vor allem für Schweine zugesetzt. Die Tiere benötigen L-Lysin als wichtigen Eiweißbaustein, können aber wie wir Menschen die Aminosäure nicht selbst bilden. Deshalb müssen sie sie mit der Nahrung aufnehmen. In den pflanzlichen Bestandteilen des Schweinefutters ist die Aminosäure L-Lysin in zu geringer Menge enthalten. Durch Zugabe von Biolys als Lysin-Quelle kann die Futtermenge deutlich verringert werden. Das entlastet den Stoffwechsel der Tiere, schont natürliche Ressourcen, reduziert Futterkosten und Emissionen.

GENÜGSAME PRODUZENTEN

Das Produkt wird fermentativ hergestellt: In riesigen Edelstahlkesseln mit einem Volumen von jeweils etlichen Hundert Kubikmetern wandeln Bakterien den Zucker Dextrose in L-Lysin um – und zwar weit über ihren eigenen Bedarf hinaus. Im Biolys-Prozess von Evonik wird ein Stamm des Corynebakteriums eingesetzt. Die Prozessingenieure sorgen für ideale Wachstums- und Produktionsbedingungen: ein wässriges Medium, die richtige Temperatur, eine gute Sauerstoffversorgung und Mineralstoffe. Nach einigen Tagen im Fermenter werden die Organismen inaktiviert, die Fermentationsbrühe wird abgelassen und anschließend eingedampft. Die Mischung aus Lysin und Bakterienbiomasse ist die Basis für das Produkt, das anschließend noch in eine für die Tierfütterung gut handhabbare Granulatform gebracht wird. 

Seit 2000 wurden weit mehr als 20 Stammgenerationen eingesetzt. Jede war ein wenig genügsamer als ihr Vorgänger, setzte mehr Zucker in Lysin um. Einen echten Produktivitätsschub brachte jedoch der Vorstoß des ambitionierten Ingenieurs Kaemmerer. Innerhalb weniger Monate gelang es den Evonik-Ingenieuren in Blair, den Biolys-Prozess auf einen „semikontinuierlichen“ Betrieb umzustellen. Während der Kultivierungszeit wird mehrmals ein Teil der Fermentationsbrühe abgenommen – und durch Wasser, Zucker und die übrigen Zutaten ersetzt. So ließ sich die Produktmenge pro Fermentation auf Anhieb substanziell steigern – wie vorhergesagt. 2019 waren die versprochenen 50 Prozent Zuwachs erreicht.

Nahaufnahme von Schweinefuttergranulat und Ferkeln im Hintergrund.

INTERNATIONALER WISSENSTRANSFER

Kaemmerer sieht sich bestätigt: „Das zeigt, was möglich ist, wenn Experten aus Forschung, Prozessentwicklung und Produktion eng zusammenarbeiten und ihre jahrzehntelange Erfahrung mit den Mikroorganismen und den Verfahren einbringen.“ Denn Bakterienstamm und Prozess müssen immer wieder aufeinander abgestimmt werden. Die einzige Fixgröße ist die Anlage selbst. Kaemmerer: „Sie setzt die Grenzen, innerhalb derer wir arbeiten.“ So konnte die Produktmenge pro Fermenter seit dem Jahr 2000 insgesamt mehr als verdreifacht werden. Zugleich stieg der Aminosäuregehalt vom Ausgangsprodukt Biolys 55 zu Biolys 77 signifikant an. 

Andere Evonik-Standorte nutzen die Erfahrungen der Kollegen in den Vereinigten Staaten. „Wir haben natürlich vom Know-how in Blair profitiert“, sagt etwa Miguel Menezes, der im brasilianischen Castro die Biolys-Produktion verantwortet. Die dortige Anlage ging 2015 in Betrieb. 

Die Ingenieure in Castro haben seither ebenfalls an Verbesserungen getüftelt. Ihr Fokus lag unter anderem darauf, die Produktion nachhaltiger zu machen. So wurde nicht nur der relativ hohe Wasserbedarf der riesigen Fermenter durch Prozessverbesserungen kontinuierlich gesenkt, sondern auch der Dampf- und Stromverbrauch. Energie wird benötigt, um die Fermenter zu kühlen, die Rührer zu betreiben, die für möglichst gleichmäßige Bedingungen im Fermenter sorgen, und das Wasser am Ende des Prozesses zu verdampfen. 

Castro setzt auf erneuerbare Ressourcen: Wasserkraft deckt einen großen Teil des Strombedarfs, der benötigte Dampf wird vollständig mithilfe von Eukalyptusholz-Chips erzeugt, und den Rohstoff Dextrose liefert eine benachbarte Maismühle. Der Standort liegt inmitten eines Maisanbaugebiets, das seit mehr als 20 Jahren landwirtschaftlich genutzt wird. 

Henning Kemmerer steht mit überkreuzten Armen auf einem langen Flur

Drei Viertel der Produktionsmenge werden in regionalen Märkten verkauft. Auch das reduziert die Transportwege und verbessert den CO2-Fußabdruck. Eine kürzlich durchgeführte Ökobilanz bescheinigt, dass pro Kilogramm Biolys 77 gerade einmal 0,1 Kilogramm CO2-Äquivalente erzeugt werden. Ein Erfolg, auf den Miguel Menezes so stolz ist wie Henning Kaemmerer auf seine Produktivitätssteigerung: „Es fehlt nicht mehr viel zu einer komplett klimaneutralen Produktion. Die Anlage in Castro wäre dann die erste großtechnische Produktionsanlage von Evonik mit einem neutralen CO2-Fußabdruck.“