Eigentlich ist die Kosmetikbranche eine sehr innovative, sehr schnelllebige. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Pflege- oder Kosmetikproduktes ist kurz. Doch es kommt auch hier vor, dass eine Innovation lange braucht, bis der Markt bereit für sie ist.
Die internationalen Märkte
Bestes Beispiel dafür sind die enzymatisch produzierten Emollients von Evonik. Das erste dieser Produkte kam 1998 auf den Markt. Erst zwanzig Jahre später zog die Nachfrage kräftig an. „Zwischen 2018 und 2023 stieg unser Umsatz mit enzymatischen Emollients um 165 Prozent“, sagt Dr. Wolfgang Goertz, Leiter Cosmetic Solutions bei Evonik.
„Wir waren visionär und hatten einen langen Atem“, so der Chemiker rückblickend. 1998 war er gerade als junger F&E-Manager bei der damaligen Th. Goldschmidt AG eingestiegen und staunte über die Möglichkeit, Enzyme zur Herstellung von Emollients zu nutzen. Seit 2001 begleitet er in der Business Line Personal Care die Vermarktung dieser Produkte.
Emollients sind ein wichtiger Bestandteil von Kosmetikprodukten. „Emollients machen die Haut weich und geschmeidig“, erläutert Goertz. „Und indem sie die Feuchtigkeit in der Haut halten, sorgen sie dafür, dass die Haut nicht austrocknet und gesund bleibt.“ Sie spielen also eine wichtige Rolle.
Enzyme als Katalysatoren
Chemisch handelt es sich bei den meisten Emollients um Fettsäureester. Die Ausgangsstoffe – eine Fettsäure und ein Fettalkohol – sind in der Regel pflanzlichen Ursprungs (siehe Grafik). Herkömmlicherweise wird die Veresterungsreaktion durch einen chemischen Katalysator und eine hohe Reaktionstemperatur in Gang gehalten. Das macht die Produktion der Emollients energieintensiv und anfällig für die Bildung von Nebenprodukten oder gar Produktgemischen. Dann können weitere Behandlungs- und Aufreinigungsschritte erforderlich werden.
Enzyme als biologische Katalysatoren dagegen arbeiten bei moderaten Temperaturen, komplett lösemittelfrei und liefern nur das gewünschte Produkt. Das macht den Prozess wesentlich nachhaltiger – bei gleichzeitig höherer Produktreinheit. Wie Ökobilanzen belegen, ist der CO2-Fußabdruck eines enzymatisch hergestellten Emollients bis zu 70 Prozent niedriger als der des gleichen chemokatalytisch hergestellten Fettsäureesters.
Seit Evonik an allen Produktionsstätten für Kosmetikinhaltsstoffe Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzt, beträgt das Treibhauspotenzial der enzymatisch katalysierten Emollients fast Null. Aufgrund des hohen Volumenanteils von Emollients in Kosmetikprodukten – es können bis zu 25 Prozent sein – schlägt sich dieser positive Effekt auch im CO2-Fußabdruck des Endproduktes messbar nieder.
Konsumenten achten auf Nachhaltigkeit
Goertz: „Die Konsumenten von Kosmetik- und Pflegeprodukten sind heute viel umweltbewusster als vor 20 oder 30 Jahren. Deshalb lohnt es sich für die Kosmetikindustrie, nachhaltigere Produkte anzubieten.“ Der Schlüssel dazu ist die Wahl der richtigen Inhaltsstoffe. Und diese kommen von Anbietern wie Evonik.
„Wir helfen unseren Kunden, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen – gerade, wenn es um die Produktleistung und um Nachhaltigkeit geht“, so Goertz.
Den Aspekt Nachhaltigkeit realisiert Evonik zunehmend einerseits durch den Einsatz nachwachsender oder alternativer Rohstoffe, die nicht mit der Produktion von Lebensmitteln konkurrieren oder zur Zerstörung von natürlichen Ökosystemen beitragen, und andererseits durch biobasierte Herstellverfahren.
Prozesstechnisch stellte die enzymatische Katalyse die Evonik-Wissenschaftler und Ingenieure vor einige Herausforderungen. Es galt, geeignete Enzyme zu finden und die für die Reaktion optimalen Prozessbedingungen zu ermitteln. Und immer wieder neue Kombinationen von Fettsäuren und Fettalkoholen auszuprobieren. „Nicht alle chemisch hergestellten Emollients eignen sich für die enzymatische Katalyse“, erläutert Goertz. „Dafür lassen sich enzymatisch auch Strukturen gewinnen, die chemisch nicht realisierbar sind.“
Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit des Herstellungsweges war es, die eingesetzten Enzyme mehrfach zu verwenden. „Das ist über die Immobilisierung der Enzyme gelungen“, sagt Dr. Yorck Mohr. Er war damals noch nicht dabei, hat die Technologie der enzymatisch katalysierten Emollients als F&E-Manager für biobasierte Prozesse aber später einige Jahre mit vorangetrieben. Er beschreibt das Prinzip der Immobilisierung so: „Die Enzyme bleiben an einer Stelle, die Reaktanten bewegen sich daran vorbei.“
Evonik hat dieses Prinzip in zwei unterschiedlichen Reaktortypen umgesetzt: einem Festbettreaktor und einem Blasensäulenreaktor (siehe Grafik). Beim Festbettreaktor erfolgt die Synthese in einer Art langem, aufgerolltem Schlauch. Das Enzym ist in ein Harz eingebettet, das flüssige Reaktionsgemisch wird daran vorbei gepumpt.
Beim Blasensäulenreaktor schwimmt das Enzym auf Polystyrol-Teilchen im Substratgemisch. Bewegung wird hier durch eingeleitetes Gas erzeugt, damit sich die Komponenten bestmöglich verteilen. So wird eine optimale Ausbeute des Prozesses erreicht.
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Zwei Reaktortypen
„Außer uns hat sich seit den 1990er Jahren kein Unternehmen so intensiv und kontinuierlich mit enzymatisch hergestellten Emollients beschäftigt“, sagt Mohr. Davon profitiert Evonik jetzt.
Produktion an drei Standorten
Um die steigende Nachfrage nach diesen nachhaltigen Emollients bedienen zu können, hat Evonik im Herbst 2024 eine neue Produktionsanlage in Betrieb genommen: im hessischen Steinau, einem kleinen Ort zwischen Vogelsberg und Spessart. „Ein technologisches Meisterwerk“, schwärmt Mohr.
Die erste Anlage entstand Ende der 1990er Jahre in Duisburg; eine zweite 2014 in Shanghai (China). Die Aufstellung mit drei Produktionsstandorten erlaubt es Evonik, eine große Bandbreite an Substratkombinationen zu realisieren. Je nach Ausgangsstoffen ändert sich zum Beispiel die Viskosität, also die Zähigkeit, des Substratgemisches. Daraus ergibt sich, welches Anlagendesign – und damit welcher Produktionsstandort – für die Herstellung am besten geeignet ist. Die Feinabstimmung der Prozessparameter erfolgt dann vor Ort.
Mit dem enzymatischen Verfahren hat Evonik das Spektrum an verfügbaren Emollients für Kosmetik- und Pflegeprodukte deutlich erweitert. Denn die chemische Zusammensetzung der enzymatischen Variante unterscheidet sich immer etwas von der klassisch produzierten. Trotzdem gingen die Kombinationsmöglichkeiten von Fettsäuren und Fettalkoholen bestimmter Kettenlängen langsam zur Neige.
Um die Ansprüche der Kosmetikindustrie im Hinblick auf spezifische Anwendungseigenschaften der enzymatischen Emollients zu erfüllen, ist Evonik zuletzt noch einen Schritt weiter gegangen: „Wir ersetzen den Fettalkohol durch einen Zuckeralkohol“, erläutert Dr. Jan Marian von Hof, Programm-Manager im Biotech Hub von Evonik. „Das erweitert unser Substratspektrum gewaltig.“
Der Knackpunkt hier: Die Zuckeralkohole schmelzen erst bei 90 Grad Celsius – einer Temperatur, die Enzyme normalerweise nicht aushalten. Es erforderte einiges an Know-how und Geschick, den Herstellprozess und das Substrat anzupassen.
Zudem beruht ECOHANCE Remo XP auf drei alternativen Rohstoffquellen: Der Zuckeralkohol Xylitol ist ein Nebenprodukt der Holzverarbeitung; die Fettsäure wird aus Sonnenblumenöl gewonnen; und der Zuckeralkohol Sorbitol stammt aus lokal angebautem Weizen. Die Business Line Care Solutions von Evonik führt das Produkt deshalb in ihrem ECOHANCE-Programm der InCosmetics 2024 wurde es als beste Produktneuheit ausgezeichnet.
Goertz versichert: „Unsere Innovations-Pipeline ist weiterhin gut gefüllt. Wir haben noch viele Ideen.“